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kommen!“ ſagte Jutta, indem ſie Frau Winter hinausgeleitete,
ohne ſie im geringſten zurückhalten zu wollen. Sie war im
Gegenteil froh, als ſie den Wagen ihres unheimlichen Gaſtes
hinwegrollen hörte und dachte mit Widerwillen noch einmal
an die Szene zurück, die ſie hatte erleben müſſen.
Der Zauber, der eine Zeit lang ſo heiter, ſo beglückend
über ihrem Leben gewaltet, war plötzlich gebrochen; es
war wie ein Garten geweſen voll ſchöner Blumen der
Liebe und Freundſchaft, da kamen dieſe unreinen Hände und
ſtreuten ihr Gift über die Blumen, um ſie zu verderben!
Jutta fühlte, daß, wie rein es auch geweſen, ihr
gegenwärtiges Verhältnis zu Herbert geſtört war, nachdem
er in ihrer Gegenwart gehört hatte, welchen Verdächtigungen
dasſelbe ausgeſetzt ſein konnte. Sie nahm ſich vor, der
Verleumdung nicht den geringſten Anhalt zu bieten und
lieber auf die erhöhte Annehmlichkeit ihres häuslichen Lebens
zu verzichten, als dasſelbe hämiſchen Bemerkungen auszu⸗
ſetzen, die einen Schein von Wahrheit haben konnten!
Und war es wirklich nur Schein? — Hatten ſie alle, ſie
ſelbſt und Herbert, ſo gut wie andere nicht ſchwache menſchliche
Herzen? Konnte nicht, in dem ſeinigen beſonders, da er
noch frei und allein war, die früheren Gefühle wieder er⸗
wachen, konnte ſie nicht am Ende ſelbſt, ſchmeichleriſch gelockt
von der Harmonie der Töne und Gedanken, auf Wege geraten,
die zur Verwirrung, ja zum Unrecht führten? Hatte nicht
wirklich gar vor kurzem die Melodie des Schönbrunner Walzers,
den Herbert, auf dem Piano phantaſierend, plötzlich ange⸗
ſchlagen, des Tanzes, den den ſie einſt zum letztenmal mitein⸗
ander ausgeführt, in ihr den Wunſch erregt, ſie möͤchte noch ein⸗
mal wieder dieſen Lieblingstanz mit ihm wiederholen?