Full text: Des Herzens Heimat

ceremoniöſen Beſuchen, die er in ihrem elterlichen Hauſe 
abſtattete. Wie wenig zeigt ſich eigentlich da das Weſen 
eines jungen Mädchens, wie es wirklich iſt, wie es für die 
andere, ernſtere Seite des Lebens ausgerüſtet iſt an Geiſt 
und Gemüt, an Kraft des Körpers und der Seele? — 
Auf dem Ball, im Beſuchzimmer iſt alles nur für den 
Eindruck des Augenblicks, für den Glanz und das Ver⸗ 
gnügen flüchtiger Stunden berechnet! — Auch das ſchwäch— 
lichſte Mädchen, die träge Langſchläferin, beim Tanz ſieht 
ſie roſig und friſch aus, da ſcheut ſie keine Anſtrengung! 
Für Bälle und Geſellſchaften weiß ſich auch die Nachläſſige 
zu ſchmücken, während ihr Alltagskleid oft Flecken und 
Riſſe zeigt. 
Aber ſo war es nie um Jutta Römer beſtellt geweſen, 
und konnte ſie auch ſtrahlender, ſchöner im Ballputz erſcheinen, 
am bezauberndſten für das Herz eines Mannes war ſie 
doch zu Hauſe! 
So hatte wenigſtens Daniel van Smitten empfunden 
und ſo empfand er immer noch und immer mehr, je länger 
er nun Jutta die Seine nannte. Unwillkürlich ſtrömte ſein 
Herz davon über, wenn er mit ſeinem jüngeren Gaſt 
plauderte, wenn er ihm erzählte, wie es gekommen, daß er 
ſie gefunden, wie er ſie bewundert in der anſpruchsloſen 
Zurückgezogenheit eines ſtillen, einförmigen Lebens, arbeit⸗ 
ſam und ſorglich, immer zufrieden! 
Und er konnte, wenn er davon erzählte, keinen auf⸗ 
merkſameren Zuhörer haben, als Herbert, der in dem Bilde, 
das van Smitten von dem jungen Mädchen entwarf, mit 
wehmütigem Entzücken die Jutta erkannte, die er geliebt 
und die, als er ſie verlaſſen, ſich von der großen Welt
	        
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