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großer Schiffe belebten. Mehr als der Anblick aller Reize
der Natur und Kunſt beſeligte Tabea der Gedanke: dort
weilt dein Beliſar!
Voll dieſer ſüßen Vorſtellung drang ſie unaufhaltſam
vorwärts. Stephaniens Klagen über Müdigkeit blieben un⸗
beachtet, eben ſo der heftiger werdende Schmerz der wun⸗
den Füße. „Wo iſt Beliſar? mein Beliſar?“ fragte ſie
die erſten Einwohner, welche ihr begegneten. Man lächelte
über die Frage der ländlich gekleideten Frau, ſchüttelte das
Haupt und ſchaute ihr ſpöttiſch in's Geſicht, doch wies
man ſie auf ihre dringender wiederholte Bitte nach dem
kaiſerlichen Palaſte hin, welcher ſich längs dem Geſtade
in ungeheurer Weite ausbreitete. Hier angelangt, glaubte
ſie in jedem hochgewachſenen Krieger ihren Gatten zu er⸗
blicken. In dem bunten Gewühle der Wachen, Diener,
Höflinge, Beamteter, welche den Palaſt, ſeine Höfe und
nächſten Umgebungen belebten, irrte die arme, müde Tabea,
ihre beiden Kinder auf den Armen, faſt eben ſo troſtlos
und einſam umher, wie heute in der Wüſte. Ihr ausge⸗
ſprochener Wunſch, den Feldherrn Beliſar zu ſprechen,
wurde entweder gar nicht beachtet oder blos mit verletzen⸗
dem Hohn beantwortet. Als Tabea endlich voll Verzweif⸗
lung in die inneren Gemächer des Palaſtes einzudringen
verſuchte, ſah ſie ſich von der Wache mit ſchmerzenden
Stößen zurückgetrieben. O wie abſcheulich kam ihr nun
die ſtolze Stadt, deren erſter Anblick ſie mit Entzücken er⸗
füllt hatte, nach dieſen bitteren Erfahrungen vor! Wie
ungleich beſſer war es in ihrem heimlichen Thale, wo man
ungehindert in jegliche Hütte eintreten konnte und durfte!
Hielt es ſchon ſo ſchwer, vor einen bloßen Feldherrn des
Kaiſers zu kommen: wie viel ſchwerer mußte da der arme
Unterthan ſeine Bitten vor den Kaiſer bringen können!“