Full text: Belisar

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Sträuchern, an deren Blüthen und kühlendem Schatten. 
Die Sonne näherte ſich bereits dem Saume des Horizonts, 
als Tabea endlich mit ihren Kindern, geiſtlich und leiblich 
geſtärkt, zum Aufbruche ſich rüſtete. 
Die Natur war wie durch einen Zauberſchlag ver⸗ 
wandelt. Statt der dürren öden Wüſte umgab die Wandrer 
jetzt ein herrliches Paradies, wo üppige Weinreben an knor⸗ 
rigen Feigenbäumen ſich emporrankten, Tauſende von Roſen 
blühten und im Verein mit der Orange die ſüßeſten Ge⸗ 
rüche ſpendeten. Hier erhob ſich der Granatbaum neben 
der dunkeln Cypreſſe; da ſproßte das junge, lichte Grün 
der Eiche neben dem blitzenden Blatte der Silberpappel. 
Einem großen Sonnenſchirme ähnlich breitete die Pinie ihr 
gewölbtes Nadeldach über ihre niederen Nachbarn umher, 
und unter dem melodiſchen Geſange der Waldvögel rieſelte, 
über Kieſel hüpfend, die geſchwätzige Quelle dahin. Als ö 
aber die Gebüſche ſich lichteten, die Ausſicht freier ward 
und Tabea endlich ſtaunend auf dem letzten Abhange ſtand: 
da ſank ſie anbetend auf ihre Kniee. O, daß die Eiferſucht 
der chriſtlichen Mächte unter einander es noch zuläßt, daß 
der Halbmond mit ſeinem ſchlimmen Gefolge — der Peſt, 
despotiſcher Willkühr des Herrſchers und der Beamten mit 
der Käuflichkeit der Richter, dem Fanatismus und anderen 
Greueln — Europa's Eden beſitzen und entvölkern darf! 
Vor Tabea's trunkenen Blicken lag — in dem weiten 
Thale, das Aſtens Küſten beſäumten, — das ehemalige 
Byzanz, jetzt zur Kaiſerſtadt umgewandelt, das große Con⸗ 
ſtantinopel mit ſeinen Kirchen und Paläſten, ſeinen Gärten 
und Hütten. Das vergoldete Kreuz der Sophienkirche fun⸗ 
kelte gleich dem Abendſterne über dem Häuſereoloſſe, welcher 
von unzähligen Bäumen durchwebt war. Einem Lichtmeere 
ähnlich glänzte der Bospor, den Hunderte kleiner und E
	        
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