Das dritte Kapitel.
Wiederſehen.
Die Mittagsſonne ſtand ſenkrecht über der ausgedorrten
Erde am wolkenloſen Himmel und brannte mit verſengender
Gluth herab. Kein Baum, kein Strauch, nicht einmal eine
Felſenklippe bot dem einſamen Wanderer einen willkomme⸗
nen Schatten und Ruhepunet. Die Erde, mit gebräunten
Kräutern und Gräſern bedeckt, zog ſich in ſanften Wellen⸗
linien einförmig und langweilend dahin. Kein Vogelgeſang
belebte die ſchwüle Luft, keine murmelnde Quelle erquickte
Ohr und Mund des Reiſenden. In Schweiß gebadet, lang⸗
ſamen, keuchenden Schrittes ſchleppte ſich eine junge Frau
mühſam durch die öde Wüſte. Zum Schutz gegen die
Sonnenſtrahlen hatte ſie ihr Haupt in ein weißes Linnen⸗
tuch gehüllt, unter deſſen lang herabhangendem Zipfel ein
kleiner Knabe — Beliſar, denn die Pilgerin war unſere
Tabea — ſchwitzend ſaß. Und von Stephaniens Antlitz,
das wie Tabea's geſchirmt war, rann gleichfalls in großen
Tropfen der helle Schweiß herab. Nicht mehr ſo raſch,
als wie beim Beginn der Reiſe — war es doch bereits
der vierte Reiſetag — wanderte die Kleine an der Hand
ihrer Mutter vorwärts. Dieſe blickte bekümmerten Auges
auf ihr zartes Töchterchen herab und fragte ſie mit trocknen
Lippen: „Biſt du recht müde, arme Stephanie?“ Das
Kind richtete die blauen Augen auf ſeine Mutter und ſchuttelte