Full text: Blüthen und Früchte aus dem Garten des Lebens

dazu gekommen ſei. Wohl fielen die heißen Thränen aus 
dem Auge der Mutter auf die kalten Thaler, aber ſie mußte 
dieſe behalten. Der Sohn ging in ſeinen Beruf. Niemand 
als er und die Mutter wußte, was aus ihm geworden war. 
Von ſeinem täglichen Solde erſparte er noch ſo viel, daß alle 
Vierteljahre der Poſtbote mit einem ſchönen Geldbriefe die 
Hütte der Armen in der Vorſtadt von Kolmar aufſuchte. 
Nach einem Jahre kam er einmal auf Urlaub nach Hauſe. 
Ich weiß, wer ſich gefreut hat. Die Mutter. Richtig, aber 
die Mitſchüler auch. Clermont war ihnen ein lieber Genoſſe 
geweſen. Während ſeines Urlaubs ſtanden ſie in täglichem 
Verkehr mit ihm. Zu gern wollten ſie wiſſen, warum er die 
Schule ſo plötzlich verlaſſen hätte und was er jetzt wäre. Er 
hatte nämlich keinen königlichen Rock an. Allein er wich ih— 
nen aus. Endlich wanderten ſie eines Tages in ein kleines 
Holz vor der Stadt, wo ſie früher ſo manche frohe Stunde 
mit einander geſpielt hatten. Da im Buſche machten ſie ihn 
weich, und er erzählte ihnen den ganzen Hergang. Heiße 
Thränen liefen den braven Jungen unter der Erzählung über 
die Wangen. Aber mit Thränen iſt's nicht gethan. Als ſie 
allein waren, hielten ſie Rath, ob ſie ihn nicht loskaufen könn⸗ 
ten. Sie ſchrieben in aller Stille an ſeinen Hauptmann, un— 
ter welchen Bedingungen er freigegeben würde. Die Antwort 
lautete: „Mit hundert Thalern kann er losgekauft werden.“ 
Da ernannten die wackern Burſchen aus ihrer Mitte einen 
Kaſſenführer, und fingen gleich an, zuſammen zu legen. Die 
erſte Einlage betrug 21 Thaler. Es fehlte noch viel, aber ſie 
verzweifelten nicht. Sie beſchloſſen mit einander, von ihrem 
monatlichen Taſchengelde ſoviel wie möglich zu erſparen, und 
jeden Monat bekam der Kaſſirer einen hübſchen Zuſchuß. Eine
	        
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