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bleichem Angeſicht und rothgeweinten Augen, als ſie ihr letztes
Kind begraben hatte. Alle ihre Freuden und alle ihre Schmer—
zen hatte ſie hier durchlebt geduldig in Trübſal, dabei aber
fröhlich in Hoffnung auf die Hülfe des Herrn. Nun aber
wurden ihre letzten Tage immer trauervoller, denn nur ſelten
blieb noch ein Käufer vor der kleinen Bude ſtehen, ja oft,
ſehr oft, mußte ſie Abends ihr kleines Waarenlager ſchließen,
ohne einen Groſchen gelöſ't zu haben. Da mußte ſie denn frei—
lich darben und entbehren. Sie hatte zwar nie etwas von Wohl⸗
leben geſchmeckt, aber immerdar doch ſo viel errungen, um des
Leibes Leben von einem Tage zu dem andern friſten zu
können.
Jetzt aber war ihre Noth überaus groß geworden, denn ſchon
ſeit drei Tagen hatte ſie auch gar nichts verkauft, und doch war
die Miethe für die kleine Kammer, worin ſie des Nachts ſchlief,
fällig. Zwar machte ihr dieſe Schuld nicht gerade ſo großen
Kummer, denn ſie wohnte bei armen Leuten, die ſelbſt den
Mangel und die Noth nur zu gut kannten, und die deshalb
mit der noch ärmern Alten Nachſicht hatten bis auf beſſere
Zeiten. Aber der Mann von dem ſie die Spielſachen und die
bunten Bilder bezog, war, obwohl reich, doch harten Herzens.
Er hatte gedroht, wenn Elſe die für ihn unbedeutende Schuld
nicht zahlen würde, ihr gerichtlich die Bude verkaufen, ſie ſelbſt
aber in den Schuldthurm ſperren zu laſſen.
Sa ſaß ſie denn ganz ſorgenvoll da, das Haupt gebeugt,
die hagern Hände gefaltet in den Schooß geſenkt zu ihren
ſtillen Herzensgeſprächen. Draußen aber zwitſcherte die Lerche
recht fröhlich, denn der Frühling war gekommen; aber ihr
ward immer weher um's Herz und ſie wünſchte ſich ſehnlich
dorthin, wo ihr braver Mann und ihre Kinder längſt ruheten.