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der ſich ihm hier anbot, aus den Händen zu laſſen: deß—
wegen fragte er ſie ernſthaft, ob ſie mit ihrer Arbeit
etwas ausgerichtet hätten? Da ſie mit Kopfſchütteln
antworteten, ſo ſagte der Geſelle: „Das macht, daß ihr
die Sache nicht ſo angegriffen habt, wie ich euch wohl
möchte gerathen haben!“ Dieſer Tagesſchimmer von Hoff—
nung machte die Schildbürger ſehr froh, und ſie verhießen
ihm von Seiten des ganzen Fleckens eine nahmhafte Be—
lohnung, wenn er ihnen ſeinen Rath mittheilen wollte.
Dem Wirth befahlen ſie, ihm tapfer aufzutragen und
vorzuſetzen, ſo daß der gute Geſelle dieſe Nacht ihr Gaſt
war und redlich ohne Geld zechte; wie das billig war,
da er forthin ihr Baumeiſter ſeyn ſollte.
Am folgenden Tag, als die liebe Sonne den Schild—
bürgern ihren Schein wieder gönnte, führten ſie den
fremden Künſtler zum Rathhaus, und beſahen es mit
allem Fleiße von oben und unten, vorn und hinten, in—
nen und außen. Da heißt ſie der Geſelle, der indeſſen
mit der Schalkheit Rath gepflogen, das Dach beſtei—
gen, und die Dachziegel hinwegnehmen, welches auch
alſogleich geſchah. „Nun habt ihr,“ ſprach er, „den
Tag in eurem Rathhauſe; ihr mögt ihn darin laſſen,
ſo lang es euch gefällig iſt. Wenn er euch beſchwerlich
wird, ſo könnet ihr ihn wohl wieder hinausjagen.“ Aber
die Schildbürger verſtanden nicht, daß er damit meinte,
ſie ſollten das Dach nicht wieder darauf decken, ſonſt
würde es wieder ſo finſter werden, wie zuvor, ſondern
ſie ließen die Sache gut ſeyn, ſaßen in dem Hauſe zu—
ſammen und hielten den ganzen Sommer über Rath.
Schwab, Geſchichten u. Sagen. X. 26
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