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er zu ihr: „Verzage nicht, meine Geliebte, Gott wird
ſchon helfen!“ — „Ach mein lieber Herr,“ erwiederte die
Jungfrau, „wenn euch auch die ganze Welt beiſtände,
ſo wäre es jetzt doch um euch geſchehen 14 — „Nein,“ ſagte
der Held, „ſo pflegen wohl die Frauen zu reden, aber
ein Rittersmann denkt anders. So lange Gott und ich bei
dir ſind, hat es keine Noth. Wenn Gott es nicht will, wer
will uns das Leben nehmen, das uns Gott gegeben hat 2⸗
Während die zwei Liebenden noch in ſolchem Ge—
ſpräche waren, ſiehe da kam der Drache daher gefahren,
und das Feuer flog dreier brennenden Rieſenſpieße lang vor
ihm her; ſo daß ringsum davon der Fels erhitzt und
in Flammen geſetzt wurde. In ſeinem Fluge ſtieß der
Drache mit ſolcher Wuth an einen Stein, daß dieſer
borſt, und zitterte, als wollte er ganz zerbröckeln, ſo daß
Siegfried und die Jungfrau, die unter dem Felſen in
der Kluft ſaßen, meinten, er würde zuſammenfallen und
ſie bedecken, denn ſie hatten ſich vor der großen Hitze
tief unter die Höhle begeben, bis das hölliſche Feuer
des Drachen ein wenig verglommen und verdämpft wäre⸗
Dieſer Drache war vor Zeiten ein ſchmucker Jüng⸗
ing geweſen, und von einem Zauberweibe verwünſcht
worden, ſo daß der leibhaftige Satan in ihm war,
dem er auch mit Leib und Seele dienen mußte. Doch
hatte er menſchlichen Verſtand behalten, und beſaß
ſeltene Fähigkeiten des Geiſtes. Die Jungfrau hatte er
geraubt in der Abſicht, ſie nach fünf Jahren, wo ſeine
Verzauberung vorüber und er wieder ein Menſch ge—
worden wäre, zu heirathen. Nun lebte zwar Flori⸗