Full text: Lebensbilder aus der Wirklichkeit, nach englischen Originalen bearbeitet und der heranreifenden Jugend zur belehrenden Unterhaltung gewidmet

Das ſalſche Haar. 
„Ich bitte Sie, Herr Lagnier, zu bedenken, daß ich 
heute Morgen ganz beſonders wünſche, recht ſchnell be— 
freit zu ſein. Nun iſt es ſchon ein Uhr vorbei, und 
fahren Sie noch fort, zu verſuchen, was doch nun einmal 
ganz unmöglich iſt, ſo wird mein Haar gar nicht gemacht 
werden. Sie thäten wirklich viel beſſer, es ganz wie ge— 
wöhnlich zu flechten.“ — Adele von Varenne ſprach dieſe 
Worte in einem ihr ſonſt gar nicht eigenen, ärgerlichen 
Ton, als ſie, einem lang verhaltenen Seufzer der Unge— 
duld und Ermüdung Luft machend, einen ſchnellen Blick 
in den Spiegel auf ihrem Putztiſche warf, und dieſer ihr 
die geſchäftigen Finger ihres alten Haarkräuslers zurück— 
ſtrahlte, wie er entſchloſſen das geflochtene Haar löſte und 
ſich anſchickte, deſſen künſtliche Verſchlingung, die nach 
wiederholt mißlungenen Verſuchen unerreichbar ſchien, auf 
die der alte Mann nun aber heute ſeinen Sinn geſetzt 
hatte, aufs Neue zu beginnen. Bei des Fräuleins Wor— 
ten ſah er zum Spiegel auf, las den ungewohnten Aus— 
druck in ihren Zügen, und eine komiſche Miſchung von 
C. Grimm, Lebensbilder. 1
	        
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