26
welcher über unſre lebhafte leichtſinnige Couſine einige
Gewalt hatte, dieſe aber nie zu üben ſchien, indem er nur
durch ſanfte Ueberredungsgabe und feinen Spott auf ihre
meiſten Handlungen nicht geringen Einfluß erlangte. —
Dieſer Einzige war Oberſt Lindores, unſer älteſter Halb⸗
bruder von mütterlicher Seite, der nach einem mehrjäh—
rigen Aufenthalte in Indien daher zurückgekehrt war, um
ſeine übrige Lebenszeit im Geburtslande zuzubringen und
nun uns, ſeiner Familie, einen längern Beſuch machte.
Dieſe Familie beſtand aus unſerm Vater — die Mutter
ruhete ſeit Jahren im Grabe — mehrern Brüdern, einer
ganzen Reihe von Schweſtern und dem Fräulein So—
werby, einer ſchon etwas bejahrten Couſine, die ſchon drei⸗
mal von Verwandten zu Verwandten umgezogen, endlich
bei uns zur Ruhe gekommen war. Sie hatte ihre beſſere
Zeit als Gouvernante in adeligen Häuſern verlebt; wäre
aber im Alter arm und hülflos in die Welt hinausgeſto—
ßen worden, hätte nicht unſer menſchenfreundlicher Vater
ihr die Hand des Willkommens und Schutzes gereicht.
Sie war das vollkommenſte Muſter einer ſteifen Gou⸗
vernante aus früherer Zeit, voll veralteter Manieren und
unſchädlicher Eigenheiten; verlangte aber von allen jun⸗
gen Perſonen unbegrenzte Achtung und Ehrerbietigkeit.
Worin ſie ihre Zöglinge unterrichtet haben mochte, konn⸗
ten wir nie entdecken, wenn es nicht etwa Stickerei war;
denn in dieſer hatte ſie es nach allen Arten und Stufen⸗