Full text: Lebensbilder aus der Wirklichkeit, nach englischen Originalen bearbeitet und der heranreifenden Jugend zur belehrenden Unterhaltung gewidmet

14 
noch übrigen Theil des Weges ſprach ſie kein Wort mehr. 
Ihr Sinn richtete ſich auf ein neues Mittel zu Luciens 
Entdeckung, und zu Hauſe angelangt, ſagte man ihr, Herr 
Lagnier ſei gekommen und wünſche ſehr, das Fräulein zu 
ſprechen, weil er etwas Wichtiges mitzutheilen habe. — 
— Mit freudiger Ahnung trat ſie in ihr Zimmer und 
ſchon rief ſeine helle Stimme ihr entgegen: „Ich bin nicht 
unthätig geweſen, mein Fräulein; hier iſt Luciens Adreſſe, 
und ich habe ihre Mutter geſehen. „Die armen Ge⸗ 
ſchöpfe!“ ſetzte er hinzu, „ſie ſind wirklich in Noth. Ihr 
Stübchen iſt fünf Treppen hoch; ein ſchlechtes Bett, eine 
Kiſte, ein Tiſch und einige Stühle ſind faſt das einzige 
Geräth darin. Die einzige Zierde war ein Roſenſtock 
in einem Blumentopfe auf dem Fenſterbrett, halb verwelkt, 
gleich ſeiner jungen Beſitzerin.“ — — „Sie ſind wol 
keine Pariſerin?“ fragte Adele eifrig. — — „Nein, 
liebes Fräulein. Was ich aus der Mutter Munde ver— 
nahm, giebt eine kleine romantiſche Geſchichte. Ihr Mann 
ſtarb vor einigen Jahren und hinterließ ein kleines Pacht— 
ſtück mit einem netten Häuschen in der Normandie. Lueie 
war ſehr ſchön; dieß ſagten alle Nachbarn und Frau 
Delmont war ſiolz auf ihr Kind. Sie konnte den Ge⸗ 
danken nicht ertragen, daß das feine Mädchen einen Bauer 
heirathen ſolle. Sie verkaufte das Gütchen und kam mit 
der Tochter hierher, in der Hoffnung, ihre Schönheit werde 
ihr ein beſſeres Loos ſichern. Von dem Kaufgelde und
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.