Full text: Aus Tagen deutscher Not

Erſtes Kapitel. 
Drei Geſellen. 
Die Berbſtſonne war im Sinken und warf ihren goldenen 
Schimmer über die kahlen Felder und grünen Wälder, ſowie 
über die fernher blauenden Höhen des TChüringer Waldes. Auf 
der ſtaubigen Straße, die nach dem Städtchen Freyburg an der 
Unſtrut führte, kam ein junger Mann daher. Er war von Mittel- 
größe, nicht beſonders kräftig gebaut, aber doch, wie es ſchien, 
muskulös, mit friſchem gebräunten Geſicht, aus dem ein Paar 
dunkle Augen lebhaft und klug in die Welt ſchauten, und kurzem 
dunklen Baar. Sein Anzug war einfach aber gut; auf dem 
Rücken trug er ein anſehnliches Ränzchen, wie ein fahrender 
Geſell, an der linken Seite aber führte er einen ziemlich langen 
Rauferdegen, und in der Rechten hielt er einen derben Stock. 
Nun ſchob er die Mütze ein wenig aus der Stirne, hielt 
den Schritt an und ſah ſich um. Er kam heute ſchon von Leipzig 
her, war bei Naumburg über die Saale gegangen und hatte 
nun eben das Schlachtfeld von Roßbach hinter ſich, auf welchem 
der große Preußenkönig vor nahezu 24 Jahren (I'5?) die über⸗ 
mütigen Franzoſen weidlich geklopft hatte. Ein behaglicher Sug 
lief über das gebräunte Geſicht des etwa Achtzehnjährigen, wie 
er jetzt wieder daran dachte, und die Zeit des? jährigen Krieges, 
von der ſein Vater ihm manchmal erzählte, ging an ſeinem Geiſte 
vorüber. Ja, wenn es nur in Deutſchland mehr Fürſten gäbe von 
der Art Friedrichs des Großen! 
Langſam ging er wieder weiter und kam durch ein kleines 
Gehölz. Am Saume desſelben lagerte ein fahrender Handwerks⸗ 
burſche. Er hatte ſein Felleiſen und ſeinen Stock neben ſich 
liegen und ſah mit munterem Blick dem näher Kommenden 
entgegen. 
„Gott grüß ein ehrlich Handwerk, Geſelle!“ rief er ihm zu, 
ſo daß der andere einen Augenblick beinahe verdutzt ſtillſtand, 
dann aber lächelnd erwiderte: 
1*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.