Full text: Aus Tagen deutscher Not

5⁷ 
„Der Menſch kann alles mit feſtem Willen, und an allem, 
was man durchlebt, lernt man!“ 
Dornbuſch nickte und wollte erwidern, als er abgerufen wurde. 
Er ſtieß auf den Kapitän des Schiffes, einen breitbehäbigen 
Engländer, der ihn fragte, wie er zu einem Verkehr mit jenem 
Soldaten komme. Er erwiderte, daß dieſer ein Landsmann und 
noch dazu ein Gelehrter ſei, denn er könne ſogar lateiniſch. Der 
Kapitän, neugierig gemacht, ging auf Seume zu. Soeben war der 
Steuermann zu dieſem herangetreten, hatte ihn rauh angefahren 
und wollte ihn von der Bank herabſtoßen. Seume ſagte in eng⸗ 
liſcher Sprache, daß er eine unhöfliche Behandlung ſich verbäte, 
denn er ſei kein Matroſe — da kam der Vapitän, und redete ihn 
gleichfalls engliſch an. 
„Ich höre mein Sohn, daß du lateiniſch lieſeſt?“ 
„Ja, mein Berr!“ 
„Und verſtehſt du es denn auchd“ 
„Ich glaube.“ 
„Sehr gut — das iſt, glaube ich, eine ſehr hübſch 
ſtreuung in deiner Lage.“ 
„Das finde ich auch — es iſt ein großer Troſt für mich!“ 
Der Steuermann war ſachte beiſeite gegangen, und der 
Rapitän, der immer mehr Teilnahme für Seume gewann, redete 
freundlich mit ihm weiter, ja er forderte ihn auf, mit nach 
ſeiner Kajüte zu gehen, wo er ihm ſeine kleine Reiſebibliothek 
zur Verfügung ſtellte. 
Auch ſonſt wurde Seume jetzt mancher Vorzug zu teil; er 
erhielt ab und zu reichliche und beſſere Nahrung und vor allem 
eine größere Freiheit der Bewegung, ſodaß er nun wohl auch 
in der Takelage mitherumkletterte oder hoch im Maſtkorbe ſitzend, 
entweder ſeinen Virgil las oder ſinnend und träumend hinausſah 
auf die endloſe Weite des Meeres. 
Langſam gingen die Wochen dahin, denn da das Schiff den 
kreuzenden Franzoſen und Spaniern ausweichen mußte, machte man 
große Umwege. 
Wilhelm hatte ſich völlig wieder erholt. Der brave Burſche 
hing nun doppelt dankbar an Seume und ertrug fortan ohne 
Murren die Beſchwerden und Unannehmlichkeiten. Denn die Hoſt 
ward immer ſchlechter; das Schiffsbrot war ſo hart, daß man 
es mit Kanonenkugeln zerſchlagen mußte, und das Waſſer, das 
de Zer⸗
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.