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„Der Menſch kann alles mit feſtem Willen, und an allem,
was man durchlebt, lernt man!“
Dornbuſch nickte und wollte erwidern, als er abgerufen wurde.
Er ſtieß auf den Kapitän des Schiffes, einen breitbehäbigen
Engländer, der ihn fragte, wie er zu einem Verkehr mit jenem
Soldaten komme. Er erwiderte, daß dieſer ein Landsmann und
noch dazu ein Gelehrter ſei, denn er könne ſogar lateiniſch. Der
Kapitän, neugierig gemacht, ging auf Seume zu. Soeben war der
Steuermann zu dieſem herangetreten, hatte ihn rauh angefahren
und wollte ihn von der Bank herabſtoßen. Seume ſagte in eng⸗
liſcher Sprache, daß er eine unhöfliche Behandlung ſich verbäte,
denn er ſei kein Matroſe — da kam der Vapitän, und redete ihn
gleichfalls engliſch an.
„Ich höre mein Sohn, daß du lateiniſch lieſeſt?“
„Ja, mein Berr!“
„Und verſtehſt du es denn auchd“
„Ich glaube.“
„Sehr gut — das iſt, glaube ich, eine ſehr hübſch
ſtreuung in deiner Lage.“
„Das finde ich auch — es iſt ein großer Troſt für mich!“
Der Steuermann war ſachte beiſeite gegangen, und der
Rapitän, der immer mehr Teilnahme für Seume gewann, redete
freundlich mit ihm weiter, ja er forderte ihn auf, mit nach
ſeiner Kajüte zu gehen, wo er ihm ſeine kleine Reiſebibliothek
zur Verfügung ſtellte.
Auch ſonſt wurde Seume jetzt mancher Vorzug zu teil; er
erhielt ab und zu reichliche und beſſere Nahrung und vor allem
eine größere Freiheit der Bewegung, ſodaß er nun wohl auch
in der Takelage mitherumkletterte oder hoch im Maſtkorbe ſitzend,
entweder ſeinen Virgil las oder ſinnend und träumend hinausſah
auf die endloſe Weite des Meeres.
Langſam gingen die Wochen dahin, denn da das Schiff den
kreuzenden Franzoſen und Spaniern ausweichen mußte, machte man
große Umwege.
Wilhelm hatte ſich völlig wieder erholt. Der brave Burſche
hing nun doppelt dankbar an Seume und ertrug fortan ohne
Murren die Beſchwerden und Unannehmlichkeiten. Denn die Hoſt
ward immer ſchlechter; das Schiffsbrot war ſo hart, daß man
es mit Kanonenkugeln zerſchlagen mußte, und das Waſſer, das
de Zer⸗