Full text: Aus Tagen deutscher Not

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gerade nicht mit viel Freudigkeit in heſſiſche Dienſte traten. Eines 
Abends aber ſah Seume auch ein bekanntes Geſicht. 
Das war Wilhelm Beiter, aber ſeinem Namen machte er 
keine Ehre. Der brave Burſch ſah elend und niedergeſchlagen 
aus, und als er Seume erkannte, rollten ihm die Tränen über 
die Wangen. 
„Auch Ihr d“ fragte er beinahe beſtürzt; der ehemalige Student 
aber zog ihn mit ſich fort und wußte es zu ermöglichen, daß er 
ſein Zimmerkamerad wurde, und das war dem armen Burſchen 
ein großer TCroſt. Auch ihn hatte man mit plumper Liſt gewonnen. 
Er war über Göttingen hinausgekommen, ohne dort, wie er 
gehofft hatte, Arbeit zu finden. In einem Dorfwirtshauſe war 
er dann eingekehrt, dort hatte ſich ein einfacher Mann zu ihm 
geſellt und mit ihm geſprochen, ihn gefragt, was er für ein 
Gewerbe habe und wohin er zu wandern gedenke. Dann hatte er 
mit einer gewiſſen Freude ihm mitgeteilt, daß er auch ein Schmied 
ſei, nicht weit von Kaſſel, und da er eben einen Geſellen brauche, 
könne Wilhelm, wenn er wolle, bei ihm einſtehen. Da er guten 
Lohn verſprach, auch ſonſt einen biedern Eindruck machte, ſchlug 
der Burſche in die dargebotene Band und nahm auch einige 
Caler Angeld an. Dann wanderte er vergnügt mit ſeinem neuen 
Meiſter ins Beſſiſche. Sie kamen gegen Abend in den Ort, wo 
der Schmied daheim war, der aber führte ihn ſtatt nach der 
Schmiede nach dem Gemeindehaus und erklärte ihm, er ſei 
heſſiſcher Soldat, da er Handgeld genommen habe. Wilhelm 
hatte ihm das Geld vor die Füße geworfen, aber das half ihm 
nicht .. . und ſo war auch er nach Siegenhain gebracht worden. 
„Na, tragen wir, was ſich nicht ändern läßt!“ tröſtete ihn 
Seume, „und wir wollen auch recht zuſammenhalten und gute 
Freunde bleiben!“ 
„Ich bin aber doch nur ein einfacher Geſelle!“ 
„Jetzt ſind wir beide ganz gleich und tragen denſelben Rock 
und dieſelben LCeiden und Freuden ... und zuſammen wird's un⸗ 
leichter werden!“ 
Der brave Burſche war gerührt von dieſen Worten. 
„Das dank' Euch der liebe Gott, Berr Seume! Nun iſt 
mir's gleich wohler unter all dieſen fremden Geſichtern!“ 
„Recht ſo — aber noch eins: ich bin kein Rerr Seume 
für dich — wir nennen uns „du“, denn ich freue mich, hier
	        
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