Full text: Aus Tagen deutscher Not

„Aber mein Beutel kann nicht zweie erhalten!“ ſagte Seume, 
der andere jedoch lachte: 
„Darauf kommt's nicht an, ſondern auf gute und luſtige 
Geſellſchaft! Ich hab' auch allein noch niemals gerade ge— 
hungert. Alſo vorwärts, Kinder, hinein in den ſchönen Berbſt⸗ 
tag!“ 
Es blieb nichts übrig, ſie mußten ſich den Wandergenoſſen 
gefallen laſſen, der als Geſellſchafter gar nicht ſo übel war, deſſen 
leichtfertige Lebensanſchauungen dagegen den beiden andern gar 
nicht gefielen. Als am Abend der Dom von Erfurt und daneben 
die ſchlanken Spitzen der alten St. Severinkirche zum Bimmel 
ragten, hielten alle drei wieder Raſt in einem Dorfwirtshauſe. 
Am nächſten Morgen nahm der Schmied herzlichen Abſchied 
von Seume und gab auch dem Schneider treuherzig die Hand; er 
wollte über Mühlhauſen und BHeiligenſtadt ins Bannöverſche. 
Seume hatte den prächtigen Burſchen lieb gewonnen, weil er 
ehrliche Art und geſunden Sinn zeigte, und in Gedanken an ihn 
ſchritt er ſchweigſam neben dem Genoſſen her, der nicht von 
ſeiner Seite wich und es mit dem Vorſatz, ihn nach Paris begleiten 
zu wollen, ernſt zu nehmen ſchien. 
„Welche Straße wollen wir denn einſchlagen?“ fragte er ganz 
vertraulich, als ſie Erfurt hinter ſich hatten. 
„Ich gehe über Eiſenach ins Heſſiſche!“ antwortete kühl 
Seume, der Schneider aber blieb ſtehen, lehnte ſich auf ſeinen 
Stecken und pfiff nach ſeiner Gewohnheit einmal ſcharf durch 
die Sähne. 
„Mein Weg nicht. — Laßt uns dem Heſſiſchen ausweichen, 
wenn ich gut raten ſoll. Oder kennt Ihr den Landgrafen von 
Kaſſel nicht? — Wißt Ihr, was man erzählt? — Die Engländer 
brauchen Kanonenfutter, Soldaten, die für ſie in Amerika drüben 
ſich zu Krüppeln ſchießen und ſchlagen laſſen, weil ſie allein 
nicht fertig werden mit den Amerikanern, die frei und ſelbſtändig 
ſein und den Engländern keine Steuern mehr zahlen wollen. 
Und da verkauft ihnen der Candgraf gegen gutes Geld, was er an 
Landeskindern entbehren kann, und nimmt's dabei auch nicht 
gerade genau, wenn ihm Ausländer in die Hände kommen. Ihr 
ſeid gut gewachſen und kräftig — Euch könnt' er wohl brauchen ..“ 
„Ich habe meine ehrliche Legitimation — wüßte nicht, daß 
man Hand an mich legen könnte, wenn ich nicht wollte!“ er⸗
	        
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