Full text: Aus Tagen deutscher Not

duldete ihn nicht in der Pleißeſtadt, und da, wie es ſchien, die 
Entſcheidung in Thüringen fallen würde, beſchloß er, die beiden 
ein Stück zu begleiten. Am Abend vor der Abfahrt kam auch 
Meiſter Dornbuſch. Er hatte ſeinen älteſten Sohn bei einem 
Meiſter in der Nähe von Rudolſtadt untergebracht und beſchloß, 
die Fahrt bis dahin mitzumachen. 
Am 9. Oktober waren die vier Reiſegefährten aufgebrochen. 
Gegen Abend des 10. Oktober hielten ſie, da die Weiterfahrt 
wegen der ringsum ſich entwickelnden militäriſchen Bewegung 
nicht recht ratſam erſchien, in dem Orte an, wo Dornbuſchs 
Sohn ſich aufhielt. Im Wirtshauſe hatten ſie Pferde und Wagen 
eingeſtellt, und während der Meiſter ſeinen Aelteſten aufſuchte, 
ſaßen die andern drei in der Gaſtſtube. Eine allgemeine Auf⸗ 
regung zitterte ſelbſt durch das kleine thüringiſche Neſt — jedes 
Berz ahnte, daß man am Vorabend bedeutſamer Ereigniſſe ſtände. 
Auf den Gaſſen war ungewöhnliche Bewegung; Gerüchte von 
einem Kampfe in der Saalfelder Gegend ſchwirrten durch die 
Luft. Es war Abend geworden, düſter brannte die Lampe in der 
Stube, und die Männer am Tiſche ſchwiegen vor innerer Er— 
regung. Da hörte man draußen Bufſchlag. Durch die nächtliche 
Gaſſe kamen preußiſche Reiter, eine kleine Abteilung. Sie ſtiegen 
vor dem Wirtshaus ab, und einige betraten den Flur; man hörte, 
wie ſie nach Speiſe und Trank riefen. 
Nun ging die Tür auf, und ein Gffizier trat ein. Das Geſicht 
war bei dem trüben Lichte nicht gleich erkennbar, aber beim 
erſten Worte, das er ſprach, ſprang Seume auf: „Das iſt Berr 
von Münchhauſen!“ 
„Seume!“ rief dieſer ſofort und begrüßte ihn herzlich. „Wie 
kommen Sie hierher mitten in den Kriegd“ 
Er ſetzte ſich ſogleich an den Tiſch zu den andern, und Seume 
berichtete; der Offizier aber ſagte: 
„Ja, ich habe mein Wort eingelöſt. Daheim hat's mich 
nicht gehalten, wie Preußen das Schwert zog! Ich mußte mit 
— helfe Gott, daß es zum Siege ſei! — Wir haben gute Führer, 
den alten Berzog von Braͤunſchweig, der Friedrich des Großen 
Uampfgenoſſe war, den Fürſten von Rohenlohe und ein anſehn⸗ 
liches Beer. Ich reite auf Nundſchaft mit meinen Leuten und muß 
noch nach Jena fort. Unterwegs haben wir einen verdächtigen 
Verl aufgegriffen, der erſt ſeltſam um uns herumgekrochen und
	        
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