Full text: Aus Tagen deutscher Not

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Uniformen auf; es war eine Abteilung preußiſcher Soldaten. Als 
Seume ſie erblickte, ſchrie er: 
„Bieher! zu Bilfe! Ein Mörder!“ 
Kratzmann ſtrengte alle Kräfte an, um ſich loszureißen, dabei 
rief auch er: „Berbei, herbei — ein Straßenräuber!“ 
Swei Offiziere, die vor den Soldaten einherſchritten, blieben 
ſtehen und ſahen, wie es ſchien, beluſtigt dem Ringkampf zu. 
Die Soldaten aber marſchierten, da ſie keinen Befehl erhielten 
einzugreifen, im langſamen Tritt vorüber. Die beiden Kämpfer 
ſchrieen noch immer, und die Offiziere lachten wie bei einer 
Komödie. Nun riß ſich Kratzmann los, und mit einigen Sprüngen 
war er im Walde. Seume aber eilte zu den Offizieren: 
„Meine Berren, laſſen Sie dem Manne ſofort nachſetzen — 
er iſt ein Dieb und Raubmörder! Ich kann's verbürgen!“ rief 
er atemlos und beſchwörend. 
Einer der Offiziere antwortete: „Nun, Er ſieht ſelbſt nicht 
viel anders aus! Wir haben anderes zu tun, als um fahrendes 
Dack uns zu kümmern!“ 
Da brauſte Seume auf: „Herr — ich muß bitten!“ 
„Ach was — will der Verl noch raiſonnieren? — Dann 
geht Er mit uns und das weitere findet ſich. Er iſt Arreſtant!“ 
„Sie irren ſich in der Perſon, Rerr Offizier“, ſagte Seume 
entrüſtet; „ich bin ein freier Privatgelehrter — —“ 
„Na, ha, ha! Das mache Er anderen weiß — — vorwärts 
mit Ihm!“ 
In dieſem Augenblicke kam ein jüngerer Offizier, der hinter 
dem Suge marſchiert war. Als er Seume ſah, ſprach er: 
„Ich habe ihn geſtern bei der Herzogin Amalie im Garten 
ſitzen ſehen!“ 
Die beiden andern Offiziere ſtutzten und Seume ſagte: 
„Auf Ihrer Durchlaucht Seugenſchaft würde ich mich berufen 
haben, wenn mir Gewalt geſchehen wäre!“ 
Der ältere der Offiziere biß ſich auf die Lippen, aber ſchwei⸗ 
gend wendete er ſich mit ſeinen Rameraden ab und ließ Seume 
ſtehen. Auch dieſer hatte kein Wort, ſtumm, aber verbittert in 
tiefſter Seele ging er ſeine Straße weiter, und erſt als er gegen 
Abend das freundliche Poſerna, wo ſeine Mutter wohnte, liegen 
ſah, wurde es heller und heiterer in ſeiner Seele. 
Als er bei der geliebten alten Frau eintrat, umarmte ſie den
	        
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