85
Uniformen auf; es war eine Abteilung preußiſcher Soldaten. Als
Seume ſie erblickte, ſchrie er:
„Bieher! zu Bilfe! Ein Mörder!“
Kratzmann ſtrengte alle Kräfte an, um ſich loszureißen, dabei
rief auch er: „Berbei, herbei — ein Straßenräuber!“
Swei Offiziere, die vor den Soldaten einherſchritten, blieben
ſtehen und ſahen, wie es ſchien, beluſtigt dem Ringkampf zu.
Die Soldaten aber marſchierten, da ſie keinen Befehl erhielten
einzugreifen, im langſamen Tritt vorüber. Die beiden Kämpfer
ſchrieen noch immer, und die Offiziere lachten wie bei einer
Komödie. Nun riß ſich Kratzmann los, und mit einigen Sprüngen
war er im Walde. Seume aber eilte zu den Offizieren:
„Meine Berren, laſſen Sie dem Manne ſofort nachſetzen —
er iſt ein Dieb und Raubmörder! Ich kann's verbürgen!“ rief
er atemlos und beſchwörend.
Einer der Offiziere antwortete: „Nun, Er ſieht ſelbſt nicht
viel anders aus! Wir haben anderes zu tun, als um fahrendes
Dack uns zu kümmern!“
Da brauſte Seume auf: „Herr — ich muß bitten!“
„Ach was — will der Verl noch raiſonnieren? — Dann
geht Er mit uns und das weitere findet ſich. Er iſt Arreſtant!“
„Sie irren ſich in der Perſon, Rerr Offizier“, ſagte Seume
entrüſtet; „ich bin ein freier Privatgelehrter — —“
„Na, ha, ha! Das mache Er anderen weiß — — vorwärts
mit Ihm!“
In dieſem Augenblicke kam ein jüngerer Offizier, der hinter
dem Suge marſchiert war. Als er Seume ſah, ſprach er:
„Ich habe ihn geſtern bei der Herzogin Amalie im Garten
ſitzen ſehen!“
Die beiden andern Offiziere ſtutzten und Seume ſagte:
„Auf Ihrer Durchlaucht Seugenſchaft würde ich mich berufen
haben, wenn mir Gewalt geſchehen wäre!“
Der ältere der Offiziere biß ſich auf die Lippen, aber ſchwei⸗
gend wendete er ſich mit ſeinen Rameraden ab und ließ Seume
ſtehen. Auch dieſer hatte kein Wort, ſtumm, aber verbittert in
tiefſter Seele ging er ſeine Straße weiter, und erſt als er gegen
Abend das freundliche Poſerna, wo ſeine Mutter wohnte, liegen
ſah, wurde es heller und heiterer in ſeiner Seele.
Als er bei der geliebten alten Frau eintrat, umarmte ſie den