eeeMit der großen Armee 1812 nach Moskau π 51
Bald nachdem der Oberſt fort war, begegne ich Rouſtan auf der
Straße. Schon von weitem zeigt er mir den Schlüſſel und ſagt dann
lachend: „Ah, ihr habt Wildbret im Käfig und verheimlicht das euern
Freunden, das iſt nicht kameradſchaftlich von euch. Aber zum Teufel,
wo habt ihr die Frauenzimmer aufgefiſcht? Man ſieht doch nirgends
welche.“ RNun erzählte ich ihm, wie und wo ich ſie gefunden, und daß
ſie die Wäſche wüſchen. „O, wenn das der Fall iſt“, rief er, „werdet
ihr wohl ſo gut ſein, ſie auch mir auf einige Tage zu überlaſſen, denn
ich habe einen ganzen Sack voll mit ſchmutzigem Anterzeug liegen. Als
gute Kameraden werdet ihr mir das nicht abſchlagen.“ Am ſelben
Abend noch ließ er ſie holen.
Am 1. Oktober wurde ein ſtarkes Fouragier-Kommando des Re⸗
giments nach einem einige Stunden entfernt liegenden Schloß ent—
ſandt, doch beſtand unſere ganze Ausbeute nur in einem einzigen Wagen
voll Heu. Auf dem Rückweg ſtießen wir auf ruſſiſche Kavallerie, die
uns umſchwärmte, aber nicht ernſtlich anzugreifen wagte, nachdem wir
einige Reiter vom Pferde geſchoſſen hatten, doch verfolgte ſie uns bis
dicht vor Moskau.
Am 2. erfuhren wir, daß der Kaiſer Befehl zur Armierung des
Kremls gegeben hätte. Es ſollten dreißig Kanonen und Haubitzen ver⸗
ſchiedenen Kalibers auf den Türmen der Mauer aufgeſtellt werden.
Am 3. wurden Mannſchaften von jedem Regiment der Garde kom—⸗
mandiert, um alte, in der Amgebung des Kremls befindliche Mauern
niederzulegen und den Schutt derſelben, ſowie den von Fundamenten,
welche Sappeure ſprengten, fortzuſchaffen. Andern Tags beaufſichtigte
ich das von der Kompagnie geſtellte Arbeitskommando und behielt dieſen
Sienſt auch für den 5., wo ein Oberſt vom Geniekorps an meiner Seite
von einem Ziegelſtein getötet wurde, den eine auffliegende Mine ihm
an den Kopf ſchleuderte. Denſelben Tag ſah ich bei einer Kirche mehrere
Leichname, deren Arme und Beine von Wölfen oder Hunden angefreſſen
waren. Von letzteren trieben ſich große Scharen umher.
Die Tage, an welchen wir keinen Dienſt hatten, brachten wir mit
Trinken, Rauchen und Scherzen zu und plauderten von der Heimat
und von der Möglichkeit, uns noch weiter von ihr zu entfernen. Wenn
es Abend wurde, gewährten wir auch unſern beiden moskowitiſchen
Leibeignen, oder vielmehr unſern Marquiſen, Zutritt, denn ſeit demn
Ball wurden ſie nicht mehr anders genannt. Dieſelben zechten dann
mit uns Punſch um die Wette.
Die übrige Zeit unſeres Aufenthalts in der Stadt verging unter
Paraden und Beſichtigungen. Während einer ſolchen überbrachte ein
Kurier dem Kaiſer die Meldung, daß die Ruſſen den Waffenſtillſtand
gebrochen und unverſehens die Kavallerie Murats überfallen hätten.
Unmittelbar nach der Beſichtigung wurde der Abmarſch angeerdnet.
Unſer Regiment erhielt am Abend Befehl, ſich für den andern Morgen
bereit zu halten.
Die beiden Frauen und die ruſſiſchen Schneider blieben natürlich
zurück. Wir verteilten unter ſie alle Beute, die wir nicht mitnehmen
konnten. Sie warfen ſich wohl zwaͤnzigmal auf die Erde, um uns die