Wit der großen Armee 1812 nach Moskau
ſilbernem Tafelgerät und Schmuckſachen. Wir bemerkten auch, wie
Juden ſamt ihren Frauen und Töchtern unſere Soldaten mit Angeboten
jeder Art verfolgten, um einige der von dieſen gefundenen Sachen zu
erlangen, welche ihnen aber dann oft von andern Soldaten wieder ab⸗
genommen wurden.
In Erwartung des Friedens, den man für nahe bevorſtehend hielt,
befahl der Kaiſer, in Moskau alles ſo einzurichten, als ob wir den Winter
dort zubringen wollten. Ser Anfang wurde mit Lazaretten gemacht,
in denen unſere Verwundeten und die der Ruſſen ganz gleiche Pflege
erhielten.
Aberall durchſuchten Fouragier- Kommandos die Stadt und brach-
ten die aufgefundenen Lebensmittel jeder Art nach Magazinen. In
den Kirchen, welche der Zerſtörung entgangen waren, fand wieder
Gottesdienſt ſtatt. In einer derſelben, nicht fern von unſerm Quartier,
las ein emigrierter franzöſiſcher Prieſter alle Tage die Meſſe. Selbſt
ein Theater ſollte wieder eröffnet werden. Man hat mir verſichert,
daß von franzöſiſchen und italieniſchen Schauſpielern auch wirklich ge⸗
ſpielt worden ſei. Ob es wahr iſt, kann ich nicht ſagen, aber das weiß
ich beſtinumt, daß den Schauſpielern die Gagen auf ein halbes Fahr
vorausbezahlt wurden, um die Nuſſen glauben zu machen, daß wir den
Winter in Moskau zu bleiben beabſichtigten.
Da bei unſern verſchiedenen Beutezügen auch eine Menge zum
Ceil ſehr prächtige männliche und weibliche Nationalkoſtüme zuſammen-
gebracht worden waren, ſelbſt ſolche aus der Zeit Ludwigs XVI., ſo
veranſtalteten wir eines Abends einen koſtümierten Ball. Es wurde ein
richtiger Faſchingsball, denn wir erſchienen alle verkleidet.
Unſere beiden ruſſiſchen Weiber mußten ſich in franzöſiſche Damen
verwandeln, nämlich in Marquiſen, und da ſie damit nicht Beſcheid
wußten, übernahmen ich und mein Landsmann Flament die Beauf-
ſichtigung ihrer Toilette. Das größte Kopfzerbrechen hierbei machte
uns, da wir keine Perücken hatten, die Herſtellung der Friſur. Ein
herbeigeholter Haarkünſtler der Kompagnie half uns aber mit Fett und
Mehl, in Ermanglung von Pomade und Puder, über die Schwierig⸗
keit hinweg. Die beiden ruſſiſchen Schneider erſchienen als Chineſen,
ich als ruſſiſcher Bojar, Flament als Marquis, kurz jeder in einer andern
Tracht. Selbſt Mutter Dubois, unſere Marketenderin, die uns gerade
beſuchte, legte das glänzende Nationalkoſtüm einer vornehmen Ruſſin an.
Als endlich jeder aufs beſte herausſtaffiert war, begann der Tanz.
Natürlich hatten wir in unſerer Luſt ſchon während der ganzen Zeit
des Ankleidens es an Punſch nicht fehlen laſſen, und unſere Marquiſen
ſowie Mutter Oubois, die ſonſt einen gehörigen Puff vertrugen, waren
infolge der großen Gläſer, die ſie von Zeit zu Zeit heruntergegoſſen
hatten, nicht mehr ganz richtig im Kopf und taktfeſt auf den Beinen.
Die Tanzmuſik beſtand in einer Flöte, die ein Sergeant blies, und
in einer Trommel, auf welcher ein Tambour der Kompagnie den Takt
ſchlug. Kaum aber hatte das Spiel der beiden begonnen und Mutter
Subois mit dem Fourier der Kompagnie den Ball eröffnet, als plötz.
lich unſere Marquiſen, wohl von dem Feuer dieſer Muſik erfaßt, Arme