Full text: Mit der großen Armee 1812 nach Moskau und in der brennenden Stadt

2 eeeeee Frangois Bourgogne 
zur Aufnahme Gelichters ſeiner Art beſtimmt war. Dann hörte 100 
nichts weiter. 
Hiernach kehrte ich nach dem entdeckten Hinpner zurück und ver⸗ 
ſchloß dasſelbe, nachdem ich mich überzeugt hatte, daß mir nirgends 
Gefahr drohe. Dann öffnete ich die Tür des Nebenzimmers, wo ich die 
beiden Damen auf einem Sofa vorfand. Sie ſchienen durchaus nicht 
überraſcht mich zu ſehen und ſprachen ſofort alle beide zugleich auf mich 
ein, ich verſtand aber kein Wort. AUm zu verſuchen, ob ſie mich ver⸗ 
ſtänden, begann nun auch ich meinerſeits und fragte, ob ſie mir etwas 
zu eſſen geben könnten. Mein Verſuch zeigte ſich von beſtem Erfolg, 
denn alſogleich beeilten ſie ſich, mir Gurken, Zwiebeln, ein großes Stück 
eingeſalzenen Fiſch und Bier vorzuſetzen. Bald darauf brachte die 
Füngſte auch noch eine Flaſche „Koſalkit, wie ſie das Getränk nannte. 
Als ich davon koſtete, erkannte ich, daß es Danziger Wacholderbrannt⸗ 
wein war. Derſelbe war ſehr gut, und in kaum einer halben Stunde 
hatten wir die Flaſche geleert, denn meine beiden Moskauerinnen zechten 
wie ein paar Laͤndsknechte. Ehe ich wieder in mein Arreſtlokal zurück⸗ 
ging, wußte ich, daß die beiden Schweſtern waren. 
Ich traf dort einen Unteroffizier der Kompaͤgnie an, der mich 
ſprechen wollte und deshalb gewartet hatte. Er erkundigte ſich, wo ich 
geweſen wäre, und nachdem ich ihm von meiner Entdeckung erzählt, 
wunderte er ſich nicht mehr über meine Abweſenheit. Er war entzückt, 
und meinte, der Zufall hätte mir gar nichts Beſſeres in die Hände ſpielen 
können als dieſe beiden Moskowiterinnen, die ſich gewiß bereit finden 
würden, das Waſchen und Ausbeſſern unſerer Wäſche zu übernehmen. 
Wir beſprachen, daß wir ihnen in dem uns überwieſenen Hauſe ein 
Zimmer einräumen wollten und er ſie in der Dunkelheit heimlich dort⸗ 
hin führen ſollte, weil wir nicht wünſchten, daß unſere neueſte Er⸗ 
rungenſchaft in weiteren Kreiſen bekannt würde. 
Um zehn Uhr, als alles ſchlief, kam er, unſere Schönen abzuholen. 
Sie machten zuerſt Schwierigkeiten, weil ſie nicht wußten, wohin man 
ſie führen wollte und weigerten ſich mitzugehen, wenn ich ſie nicht be⸗ 
gleitete. Als ihnen dies aber zugeſagt wurde, folgten ſie uns ganz bereit⸗ 
willig und lachend. Sie erhielten nicht allein ein Kabinett, das auf 
das wohnlichſte eingerichtet wurde, ſondern auch koſtbare Kleider ent- 
flohener vornehmer Moskauerinnen, ſo daß die Mägde (denn das ſchienen 
ſie zu ſein) ſich bald in elegante Damen verwandelten, die ſich aber 
nicht ſcheuten, unſere Wäſche zu waſchen. 
Am andern Morgen, dem 21., kam der Feldwebel und verkündete 
mir, daß ich wieder frei ſei. Ich fand bei meiner Rückkehr ins Quartier 
die beiden von mir geretteten Schneider ſchon fleißig an der Arbeit; 
ſie fertigten aus dem Tuch der Billards große Schulterkragen. Unſere 
Frauen, die ich alsbald in dem Zimmer beſuchte, in welchem ſie ein— 
geſchloſſen waren, traf ich bei der Wäſche. Sie legten aber mit ihrer 
Arbeit wenig Ehre ein. Das war indeſſen auch nicht zum Verwundern, 
denn was konnte man füglich von Damen in Sammet und Seide am 
Waſchzuber erwarten! ö
	        
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