Full text: Mit der großen Armee 1812 nach Moskau und in der brennenden Stadt

IESIIIIII François Bourgogne See 
Wir hatten ſchon eine große Strecke zurückgelegt, als wir plötzlich 
eine ganz offene Stelle ſahen. Es war das Zudenviertel, deſſen kleine, 
ganz aus Holz erbaute Häuſer vom Feuer bis auf den Grund verheert 
waren. Bei dieſem Anblick ſtieß unſer Führer einen Schrei aus und 
ſtürzte bewußtlos nieder. Wir befreiten ihn ſogleich von der Laſt, die 
er trug, flößten ihm etwas Branntwein ein und goſſen ihm davon auch 
ins Geſicht. Darauf ſchlug er die Augen auf und gab uns auf unſere 
Fragen zu verſtehen, daß ſein Haus ein Raub der Flammen geworden 
und in dieſen wahrſcheinlich ſeine Familie umgekommen wäre. Als 
er dies ſagte, fiel er in eine neue Ohnmacht, ſo daß wir uns entſchließen 
mußten, ihn liegen zu laſſen, obwohl wir das ſehr ungern taten, denn 
wir wußten nicht, was inmitten eines ſolchen Labyrinthes ohne Führer 
aus uns werden ſollte. Indeſſen aufhalten konnten wir uns nicht länger, 
und ſo beluden wir einen unſerer Leute mit den Sachen, die der Jude 
getragen hatte, und ſetzten unſern Weg fort. Bald aber waren wir 
gezwungen ihn zu unterbrechen. 
Bis zur nächſten Straße hatten wir mindeſtens noch hundert Schritte. 
Auf dieſer Strecke aber flog die glühende Aſche ſo dick, daß wir fürchten 
mußten zu erblinden, wenn wir uns hineinwagten. Im Überlegen, 
was wir tun ſollten, ſchlug der eine meiner Freunde vor, ſo ſchnell als 
möglich hindurchzurennen; ich aber riet dazu, lieber noch zu warten, 
und die andern ſtimmten mir bei. Unmittelbar hierauf ſtürmt jedoch 
der, welcher den Vorſchlag gemacht hatte, mit dem Rufe davon: „Wer 
keine Memme iſt, folge mir!“ und alle andern rennen ſofort hinter ihm 
drein, nur ich und der Soldat, welcher unſere Beute trägt, bleiben zurück. 
Letztere beſtand noch aus drei Flaſchen Wein, fünf Flaſchen Likör und 
eingelegten Früchten. 
Kaum hatten die Davongelaufenen dreißig Schritte gemacht, als 
ſie unſern Augen in einem Wirbel heißer Aſche entſchwanden. Der 
vordere war der Länge nach hingeſchlagen; er ſah nichts mehr und ſchrie 
und fluchte wie ein Teufel. Die andern hoben ihn auf und mußten 
ihn führen, konnten aber bald nicht mehr vor- und rückwärts. Es ver⸗ 
ging über eine Stunde, ehe wir uns wieder vereinigten. Während dieſer 
Zeit verſuchte der faſt Erblindete ſich die Augen mit Speichel auszu⸗ 
wiſchen, unzweifelhaft würde er aber dazu von unſerm Wein genommen 
haben, wenn er ihn bei ſich gehabt hätte. Da auf dieſe Weiſe jeden⸗ 
falls eine Flaſche verloren geweſen wäre, ſo leerte ich dieſe auf der Stelle 
mit dem mir treu gebliebenen Kumpane. 
Als wir endlich wieder zuſammen waren, erkannten wir die Un⸗ 
möglichkeit, hier unſern Weg fortſetzen zu können. Schon beſchloſſen 
wir deshalb umzukehren, da kam uns der Gedanke, jeder ſollte eine der 
herumliegenden Zinkplatten nehmen, um den Kopf gegen Wind, Flam- 
men und Aſche zu decken. Das geſchah; wir gaben ihnen eine kleine 
Rundung, hielten ſie mit den Händen feſt und fanden ſo den erwünſchten 
Schutz. 
Dicht hintereinander herſchreitend gelangten wir nunmehr über 
die ſchwierige Strecke hinweg und in eine neue Straße, wo viele jüdiſche 
und einige chineſiſche Familien auf der Erde kauerten und ihre geringen
	        
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