Full text: Mit der großen Armee 1812 nach Moskau und in der brennenden Stadt

Mit der großen Armee 1812 nach Moskau α 15 
ihnen Zeit zu laſſen, ihre Sachen zu retten, unter denen ſich auch das 
Gewand Cäſars, der Helm des Brutus und der Küraß der Jeanne d'Are 
befanden. Unſere Schützlinge waren franzöſiſche Schauſpielerinnen, 
deren Männer die Ruſſen mit fortgeſchleppt hatten. Wir verhinderten 
für den Augenblick die Einäſcherung ihrer Behauſung, indem wir die 
vier Poliziſten mit uns zum Regiment nahmen, das wir endlich nach 
manchen Irrwegen noch auf ſeinem Platz trafen. 
Als der Oberſt von unſerer Rückkehr hörte, kam er ſogleich, um 
uns ſeine Unzufriedenheit über unſer langes Ausbleiben auszuſprechen 
und Rechenſchaft von uns zu fordern, wo wir uns ſeit geſtern abend 
ſieben Uhr herumgetrieben hätten. Nachdem er aber unſere Gefangenen 
ſowie unſern Berwundeten geſehen und von den Gefahren gehört hatte, 
denen wir ausgeſetzt geweſen waren, gab er ſich zufrieden und freute 
ſich, daß wir wieder da wären, denn er hatte große Anruhe um uns 
ausgeſtanden. 
Der Platz ſah jetzt aus, als ob alle Völker der Erde ſich auf ihm 
verſammelt hätten, denn viele unſerer Leute hatten ſich als Kalmücken, 
Chineſen, Tartaren, Perſer und Türken ausſtaffiert und andere koſt⸗ 
bares Pelzwerk und ſogar franzöſiſche Hofbekleidung mit glänzenden 
Stahldegen angelegt. Alle aber ließen es ſich wohl ſein an den Ge— 
tränken und Leckerbiſſen aller Art, die in Menge auf dem Platz zu- 
ſammengetragen waren. . 
An dieſem Tage, dem 15., neun Uhr morgens, verließ das Regiment 
den Platz, um ſich in die Nähe des Kremls zu begeben, in dem der Kaiſer 
ſein Quartier aufgeſchlagen hatte. Ich verblieb mit 15 Mann einſt⸗ 
weilen im Gouvernementsgebäude auf Wache. 
Um fünf Uhr kam unſere Kompagnie als Pikett auf den Platz wieder 
zurück, der andere Teil des Regiments war beſchäftigt, das Feuer zu 
beſchränken, welches in der Umgegend des Kremls wütete. 
Bald nach der Rückkehr der Kompagnie hatte der Kapitän Pa⸗ 
trouillen in verſchiedene Stadtteile ausgeſchickt. Dieſelben brachten am 
Abend und während der Nacht zwei ruſſiſche Offiziere und mehrere 
Soldaten ein, die durch das Feuer aus den Häuſern vertrieben worden 
waren, in denen ſie ſich verſteckt hatten. Der eine der Offiziere, wel⸗ 
cher zur Armee gehörte, ließ ſich ruhig ſeinen Degen abnehmen und bat 
nur, ihm eine goldene Medaille, die an ſeiner Bruſt hing, zu belaſſen. 
Der andere, ein junger Menſch, welcher außer einem großen Säbel 
noch einen Gürtel mit Patronen trug, wollte ſich nicht entwaffnen laſſen, 
weil er, wie er uns in ſehr gutem Franzöſiſch auseinanderſetzte, der Miliz 
angehöre. Dieſer Umſtand imponierte uns zwar ſehr, indeſſen blieb 
uns doch nichts übrig, als ihm die Notwendigkeit unſerer 
begreiflich zu machen. 
Um Mitternacht brach das Feuer von neuem in der nächſten Am⸗ 
gebung des Kremls aus. Noch einmal gelang es, ſeiner Herr zu werden. 
Am 16. um drei Uhr morgens aber wiederholte ſich der Ausbruch von 
Anfang an in ſo umfaſſender Weiſe, daß jede Anſtrengung zur Dämp⸗ 
fung erfolglos blieb.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.