Full text: Mit der großen Armee 1812 nach Moskau und in der brennenden Stadt

12 SEEeeSeee François Bourgogne SS 
eine erſtaunliche Menge von Zuckerhüten, etwas Mehl und andere 
Sachen, aber kein Brot und nur wenig friſches Fleiſch. Man war in 
die den Platz umngebenden Häuſer gegangen, um Eſſen und Trinken 
zu verlangen, hatte aber kein menſchliches Veſen angetroffen und 
ſomit ſich ſelbſt bedient. Daher die Fülle alles Guten. 
„SDie Wache erhielt ihren Platz unter dem Hauptportal des Palaſtes 
angewieſen. Gleich rechter Hand lag ein großes Zimmer, welches eine 
vortreffliche Wachſtube abgab. Es bot genügend Raum für die 
ganze Wachmannſchaft und einige in der Stadt aufgefundene und ein⸗ 
gebrachte ruſſiſche Offiziere. Alle früheren Gefangenen hatten wir 
bis dicht vor Moskau mitgenommen und dort unter Bewachung zurück⸗ 
gelaſſen. 
Der Palaſt des Gouverneurs iſt ziemlich groß und ganz in euro— 
päiſchem Stil gebaut. Zwei breite ſchöne Treppen führen in den erſten 
Stock nach einem mächtigen Saal, in deſſen Mitte ein ſehr langer, ovaler 
Tiſch ſteht und wo an der Wand hinter dieſem ein Koloſſalbild des 
Kaiſers Alexander zu Pferde hängt. Der zum Palaſt gehörige aus⸗ 
gedehnte Hofraum iſt von Gebäuden umſchloſſen, welche für das Dienſt⸗ 
perſonal beſtimmt ſind. 
Eine Stunde nach unſerer Ankunft brach das Feuer aus. Man 
bemerkte zuerſt dicken Rauch und ſah bald darauf die lodernden Flam- 
men. Es hieß, das Feuer wäre in den Verkaufshallen und würde wahr- 
ſcheinlich durch Unvorſichtigkeit plündernder Leute entſtanden ſein, die 
in den Läden nach Lebensmitteln geſucht hätten. 
Bon vielen, die den Feldzug nicht mitgemacht haben, wird be— 
hauptet, daß der Brand von Moskau das Verderben der Armee herbei⸗ 
führte. Ich und viele andere denken aber, die Ruſſen hätten ihre Stadt 
nicht anzuzünden brauchen, um uns los zu werden. Wenn ſie ſtatt deſſen 
alle Lebensmittel mitnahmen oder ins Waſſer warfen und auf ſechs 
Meilen in der Runde das hier ohnedem wenig ertragfähige und bebaute 
Land verwüſteten, ſo wäre das wirkſamer geweſen. Alsdann würden 
wir zweifellos ſchon nach Verlauf von 14 Tagen gezwungen geweſen 
ſein, abzuziehen. Die Feuersbrunſt vertrieb uns nicht, denn es blieben 
noch Wohnſtätten genug übrig, um die ganze Armee unterzubringen, 
brannte aber auch wirklich alles nieder, nun dann hätten wir immer 
noch in den Kellern Unterkunft gefunden. 
Um ſieben Uhr traf die Meldung beim Pikett ein, daß das Feuer 
das Quartier unſeres Gouverneurs bedrohe. Der Oberſt erſchien auf 
der Wache und befahl, daß eine Patrouille von fünfzehn Mann nach 
der Brandſtelle abgehen ſolle; ich wurde mit dazu kommandiert. Wir 
marſchierten ſofort ab, hatten aber kaum dreihundert Schritte zurück⸗ 
gelegt, als in unſerer Nähe geſchoſſen wurde. Wir dachten zuerſt, daß 
die Schüſſe von betrunkenen Leuten unſerer eigenen Truppen her- 
rührten und kümmerten uns deshalb nicht weiter darum, bald aber 
enallte es uns auch aus einer Sackgaſſe entgegen, und ein Mann der 
Patrouille wurde in den Schenkel getroffen. Die Verwundung war 
zwar nicht ſchlimm, denn ſie hinderte den Mann nicht daran, weiter zu 
marſchieren, indeſſen wurde doch beſchloſſen, zum Regiment zurück⸗
	        
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