Full text: Das alte Wunderland der Pyramiden

14 Von Syene bis Theben. 
obwohl es zu dieſer Arbeit eigentlich des Regenpfeifers nicht bedarf, denn es kann 
ſich mit den Zehen ſeiner Hinterfüße ſehr gut das Zahnfleiſch ſelbſt reinigen. 
Fleiſch und Fett dieſes Thieres riechen und ſchmecken zwar ſehr ſtark nach 
Biſam, werden aber doch gern gegeſſen; ſein Blut iſt ein Mittel gegen Schlan⸗ 
genbiß und gegen Flecken auf den Augen; das Fett wird auf Wunden gelegt, 
gegen Fieber, Zahnweh, Schnakenſtich ꝛc. angewendet, die Aſche der verbrannten 
Haut ſtillt, wie man glaubt, den Schmerz bei Brand- und Schnittwunden. 
Zehn Stunden ſtromabwärts liegt auf einer Anhöhe des rechten Ufers 
eine bedeutende Stadt, welche den Namen Nubi, „Goldſtadt“, führt. Nicht 
daß hier Gold gegraben würde, aber es geht von hier eine viel befahrene 
Straße nach den großen Goldbergwerken in der Gegend des Rothen Meeres; 
Nubi iſt alſo der Platz, wo das Ergebnis des Bergbaues eingebracht und von 
wo es dann weiter verſandt wird, gewiſſermaßen der Hafenplatz der Berg⸗ 
werke. Ein kleiner Tempel, zu welchem eine ſchöne Treppe vom Strome aus 
hinauf führt, ſteht in der Nähe des Ufers; ein großer Doppeltempel, durch eine 
Mauer in der Längsachſe in zwei gleiche Theile getheilt, weiter landeinwärts. 
Wir ſind weiter gefahren und kommen jetzt an den erſten Engpaß. Von 
Sun bis hierher hatte das Flußthal durchſchnittlich eine Breite von anderthalb 
Stunden, aber hier, 15 Stunden nördlich von der Südgrenze, rücken beide 
Gebirgsreihen ſo nahe an einander, daß nur Raum für den Fluß ſelbſt und 
für einen Fahrweg zu beiden Seiten übrig bleibt. Dieſer Engpaß hat eine 
Länge von 18 Minuten, und weil die Sandſteinfelſen ſo nahe am Ufer 
ſind, daß der Landtransport ganz wegfällt, ſind hier die größten Sandſtein⸗ 
brüche des ganzen Landes zu finden und — vielleicht die großartigſten der 
ganzen Welt. Senkrecht erheben ſich die Felſen bis zu einer Höhe von 17 mund 
darüber; ſie bilden eine Viertelſtunde lang rechts und links haushohe Mauern. 
Da ſehen wir koloſſale Blöcke liegen, die mit meiſterhafter Geſchicklichkeit 
abgeſprengt ſind. Aber das Wunderbarſte iſt, wie ſich dieſe Steinbrüche als 
Höhlen in die Felſen hineinarbeiten und dieſe Höhlen wiederum als Ver⸗ 
ſammlungshäuſer, Tempel, Gräber u. ſ. w. benutzt werden. Da wird 
ein rieſenhafter Saal mit majeſtätiſchem Eingange in den Felſen gehauen; alle 
Wände ſind mit erhabenen, gemalten Figuren bedeckt; der Eingang iſt mit 
Säulen geziert; aber was man herausgehauen, iſt Alles in Geſtalt behauener 
Werkſtücke (3. B. Tragbalken von 7 m Länge) auf großen Flößen den Strom 
hinuntergeſchafft worden und dient dort unten in Theben oder in Memphis 
vielleicht zur Errichtung eines Königspalaſtes. Mit denſelben Steinen, die, 
hier herausgemeißelt, einen unterirdiſchen Tempel übrig laſſen, wird in 
weiter Entfernung ein überirdiſcher gebaut. Das Haus der Todten liefert 
das Material für das Haus der Lebendigen. In der Nähe liegt auf dem 
linken Ufer die Univerſität Chennu, wohl die älteſte Hochſchule der Welt. 
Von ihr zeugt heute noch eine Kalkſteinplatte des Antiquariums zu München, 
welche die (nun 3000 Jahre alte) Ermahnung eines Vaters an ſeinen Sohn 
enthält zum fleißigen Betriebe ſeiner Studien auf der Univerſität zu Chennu. 
Die Araber der Jetztzeit nennen dieſe ſchönen gelben Sandſteinfelſen, 
welche von beiden Seiten den Flußwie Mauern einſchließen: Dſchebl Selſeleh
	        
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