Full text: Das alte Wunderland der Pyramiden

8 Das geſegnete Wunderland Aegypten. 
her ein berühmter Wallfahrtsort mit ſtattlichem Tempel. Von hier hat man 
den ſchönſten Blick auf die Prachtbauten Pilaks, welche zwiſchen ſchlanken, 
duftigen Palmen, die nahen Felsberge im Hintergrunde, die dunklen Stein⸗ 
brüche im Vordergrunde, ein äußerſt maleriſches Bild bieten. 
Den Schluß dieſer Inſelgruppe macht das Inſelchen Ab, „Elfenbein⸗ 
inſel“, Griechen und Römer gaben ihr ſpäter den Namen Elefantine. Hier 
ſind die Tempelbauten noch viel prachtvoller, großartiger und ausgedehnter 
als auf Pilak, aber nicht in gleichem Grade ehrwürdig. Doch iſt hier die 
Hauptſtadt der ſüdlichſten Provinz; hier ſteht der Tempel des widderköpfigen 
Gottes Chnum, und neben ihm verehrt man noch die beiden Kataraktengöttinnen 
Anke und Sati. Alljährlich wird ihnen ein ſiebentägiges Feſt gefeiert, bei 
welchem eine goldene und eine ſilberne Trinkſchale in die ſchäumenden Wogen 
des heiligen Hapi geſchleudert werden. 
Setzen wir unſere Reiſe weiter fort — wir kommen jetzt in den roman— 
tiſchſten Theil des ganzen Flußgebietes, in den Bereich der berühmten Katarakte. 
Den breiteſten Theil des Fluſſes haben wir hinter uns, denn bei Philä iſt er 
drei Viertelſtunden breit — die wildeſte Partie liegt gerade vor uns. In 
grotesken Formen rücken die Felsberge von beiden Seiten nahe an das Ufer, 
ſo daß ſie hier und da unmittelbar aus dem Waſſer emporſtarren und nicht 
eine Hand breit Boden laſſen, wohin der Wanderer den Fuß ſetzen könnte. 
Das Waſſer aber ziſcht und brauſt, und die Wellen ſchäumen und toſen; un⸗ 
zählige Klippen, Felsbrocken und ſcharfe Zacken ragen über den Waſſerſpiegel 
hervor oder ſind dicht unter ſeiner Oberfläche verborgen, dem unkundigen 
Schiffer Tod und Verderben drohend. Ein weißer Schaum bedeckt den Fluß, 
und über eine Stunde weit reiht ſich Strudel an Strudel und Wirbel an 
Wirbel. Das Schifflein wird von einer Stromſchnelle in die andere gejagt. 
— Das ſind die Waſſerfälle des Nil, die freilich keine Aehnlichkeit haben 
mit Dem, was wir gewöhnlich unter einem Waſſerfalle verſtehen. Wir ver⸗ 
langen, daß das Waſſer haushoch oder wenigſtens zimmerhoch ſenkrecht her⸗ 
abſtürzt — Derartiges iſt hier nicht zu finden. Der Strom rauſcht über eine 
Maſſe von Felsblöcken und bildet ſo ungezählte Waſſerfällchen, von denen aber 
keines höher als 15, höchſtens 20 em iſt. So geht's fünf Viertelſtunden 
weit fort. Einmal auch kommt eine Stelle, an der wenige Zacken über die 
Oberfläche blicken, die ganze Waſſermaſſe aber in einer Breite von mehr als 
einer Viertelſtunde (demnach noch etwas breiter als der berühmte Niagarafall) 
9em weit in einem Winkel von 15 Grad hinabſchießt. Der Fall beträgt auf 
gem Länge alſo etwa gut UIm in der Höhe. Auch das iſt kein Waſſerfall 
nach unſerer gewöhnlichen Vorſtellung, ſondern nur eine außerordentliche Strom— 
ſchnelle — aber es iſt denn doch ein gewaltiges Hinderniß für die Schiffahrt. 
Bei der Fahrt ſtromaufwärts ſteigen die Schiffer hier aus und ziehen, 
am felſigen Ufer gehend, das Boot an Seilen hinauf. Thalwärts geht's luſtiger; 
gewandt ſteuert man die Barke nach der Mitte des Fluſſes, und — in einem 
Nu iſt ſie hinabgeſchoſſen und jagt pfeilgeſchwind dahin in die toſenden Waſſer, 
daß die Wellen ziſchend hineinſpritzen und der Fremdling, der ſolche Fahrt 
mitmacht, wohl ängſtlich die Hände faltet, weil er nicht weiß, wie ihm geſchieht.
	        
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