Full text: Lehren der Weisheit und Tugend

Er war ein reicher Mann und beſaß Güter die Fülle. Er hatte 
einen armen Mann zum Verwalter eines Landgutes geſetzt, dem 
er nur Weniges gab, der aber doch treu und ehrlich war. Er 
war ſtets darauf bedacht, ſeines Herrn Habe zu vermehren, aber 
er konnte nichts dafür, daß in dem einen Jahre eine große 
Dürre eintrat, welcher eine ſehr ſchlechte Ernte folgte und daß 
in dem darauf folgenden ein ſchwerer Hagelſchlag die Felder 
verwüſtete. 
Als nun der Ertrag des Gutes in dieſen Jahren ſehr ge— 
ring war, ward der reiche Mann zornig und jagte den armen 
treuen Verwalter vom Gute. Die Kinder des Armen kamen, 
fielen dem Hartherzigen zu Füßen und baten ihn um Erbarmen; 
er aber kehrte ihnen den Rücken zu, wie wir es unten auf 
unſerem Bilde ſehen und ging von dannen. 
Der Arme fand an einem andern Orte ein gutes Unter— 
kommen durch Gottes Gnade. 
Die Strafe. 
Den Reichen aber traf von dieſer Zeit an ſchweres Un— 
glück. Ein Theil ſeiner Güter brannte ab, der andere ward in 
einem verheerenden Kriege verwüſtet. Der Reiche ward bettel— 
arm und Niemand wollte ihm helfen, da er Keinem geholfen 
hatte, als er noch beguͤtert war. Alles wandte ſich von ihm. 
Da faßte ihn Verzweiflung, er ſtürzte ſich in das Waſſer, um 
ſich zu ertraͤnken. Als er aber im kalten Waſſer war, kam er 
zur Beſinnung und ging wieder an das Land. Er hatte ſich 
jedoch dabei ſo erkaͤltet, daß er von dem Tage an lahm wurde 
und auf Krucken gehen mußte. 
Da erging es ihm uͤber alle Beſchreibung traurig und er 
ware verhungert, wenn ſich nicht ein armer Blinder ſeiner an— 
genommen haͤtte. Dieſer theilte mit ihm Alles, was er aus der 
Hand mitleidiger Menſchen empfing, ja er trug ihn öfter auf 
ſeinen Schultern aus der engen, dumpfen Stube hinaus in das 
Freie, damit er Gottes liebe Sonne ſehen könne, die der arme 
Blinde nicht ſah. Das Bild oben zur Rechten zeigt es uns. 
Dieſe Güte erweichte das ſteinerne Herz des Mannes, der 
einſt als Knabe dem Voͤglein den Fuß ausgeriſſen hatte; er
	        
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