Full text: Lehren der Weisheit und Tugend

nagt an der Tatze des Gewaltigen, — — der erwacht und hat 
die Maus gefangen. Lauf hin, kleines Weſen, ſpricht er, aber 
ſpiele nicht mit dem Löwen! — Wie froh war die Maus, als 
ſie ſo davon gekommen war! 
Nach einiger Zeit hört ſie ein furchtbares Brüllen. Sie 
huſcht zwiſchen Gräſern und Blumen hindurch, — da liegt der 
Löwe, dicht von einem ſtarken Netze umſchlungen und iſt ge— 
fangen. Ich will dir helfen, ſpricht die Maus. Sie durchnagt 
mit aller Emſigkeit das Netz und bald iſt der Löwe berfreit! 
Androclus und der Löwe. 
Androclus, ein armer Sclave, entfloh ſeinem harten, ſtren— 
gen Herrn und verbarg ſich tief im Walde in einer Höoͤhle. 
Bald kam ein großer Lowe heulend herbei, warf ſich nieder und 
leckte fortwährend eine ſeiner Tatzen, aus der das Blut ſtrömte, 
denn ein langer, ſpitzer Dorn hatte den Fuß durchbohrt. An— 
droclus ſah das erſt voll Furcht, dann voll Mitleid an und 
näherte ſich vorſichtig dem gewaltigen Thiere, um ihm zu helfen. 
Der Löwe ſtreckte ihm ſeine Tatze entgegen. Er zog den Dorn 
aus der Wunde, holte Waſſer und blutſtillende, heilende Kräuter. 
Dann reinigte er die Wunde, drückte den Saft der Kräuter aus 
und verband damit den Fuß. — Das that er täglich; der Löwe 
litt Alles geduldig und bald war die Wunde geheilt. Friſch 
und muthig lief er in den Wald hinaus, um zu jagen, aber er 
ward in einer Grube gefangen und in die Hauptſtadt gebracht. 
Auch Androclus ward bald darauf ergriffen und in das Gefäng— 
niß geworfen. Zur Strafe für ſeine Flucht ſollte er mit wilden 
Thieren kämpfen. 
Man führte ihn in einen großen Zwinger, der rings von 
Sitzen umgeben war, auf denen viele tauſend Menſchen ſaßen. 
Eine Thür wurde geöffnet, ein großer Löwe ſtürzte heraus und 
gerade auf den armen Androclus los. Der zitterte; aber plötz— 
lich ſtand der Löwe ſtill, ſah den Mann an, den er zerreißen 
ſollte, ſtieß ein Gebrüll aus, näherte ſich freudig dem Androclus 
und ſchmiegte ſich an ihn. Androclus erkannte ſeinen Löwen 
und klopfte ihm den Rücken. — Da ſtanden Beide, wie zwei 
treue Freunde. Alles Volk verwunderte ſich und der Kaiſer auch,
	        
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