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Liebe zu ihm. Er ſank auf ſeine Knie, beugte ſich über die Jungfrau
und ſprach: „Wach' auf, wach' auf, Du Königstöchterlein, Du ſollſt meine
Königin ſein!“ und damit küßte er ſie auf ihren rothen Mund.
In demſelben Augenblicke erhob ſich ein Toſen in der Luft, die
Blitze zuckten und die Donner rollten, es brauſte der Sturm und die Erde
erbebte. Die Königstochter ſchlug die Augen auf, erhob ſich vom Boden
und ſprach zu dem Königsſohn: „Die Zeit iſt nun erfüllt, der Zauber
gelöſt! Mich und mein Hofgeſinde hielt ein böſer Zauberer hundert Jahre
lang verwandelt. — Willſt Du mich zu Deiner Frau, ſo bin ich und
Alles, was mein iſt, Dein eigen.“
Und als ſie das geſprochen, brach die Sonne wieder aus den Wolken
und aus dem Walde unten ſtieg ein prächtiges Schloß empor mit hohen
Thürmen und goldenen Zinnen. Da konnte man trotz der Entfernung
ſehen, wie es mit einemmal im Walde wimmelte von Hofleuten und Die—
nern, und Rittern zu Roß und zu Fuß und die Luft erſcholl von Pauken—
und Trompetenſchall.
So waren nun alle Thiere im Walde wieder in Menſchen verwandelt,
aber auch die, welche oben beim Einſiedler gehauſt, nicht minder. Denn
ſtatt des Eichkätzchens ſaß ein flinker Page auf dem Baume, ſtatt der
Lachtauben ein paar luſtige Kammerfräulein auf dem Dache und ſtatt der
Singvögel allerlei Muſikanten in den Büſchen, die ſtrichen auf ihren Geigen,
blieſen auf ihren Flöten und ſangen dazu ſchöne Lieder.
So ward der Königsſohn und die junge Königin Mann und Frau,
und der Einſiedler ſegnete ihren Bund. D'rauf kam aus dem Walde ein
reicher Zug von Roſſen und Dienern, die Beiden abzuholen in ihr Schloß.
Als dieſe die Roſſe beſtiegen hatten, wollten ſie auch den Greis mit ſich
nehmen, damit er ihr erſter Miniſter würde und ſtets um ſie bleibe. Der
aber verweigerte es und ſprach: „Laßt mich hier in meiner Einſamkeit,
ich paſſe nicht mehr für die Menſchen. Mir ſtrahlt auch die Sonne präch—