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mit anſah. So kam jedesmal, wenn das Thier ſich zur Ruhe legte, ein
Vögelchen aus dem Strauch geflogen, ſetzte ſich in's Fenſter und ſang es
leiſe in den Schlaf; ein Eichkätzchen ſprang vom Baume, ſetzte ſich neben
ſeinen Kopf auf's Moos und wedelte ihm mit dem buſchigen Schwänzchen
Kühlung zu, und flinke Eidechſen ſchnappten emſig alle Mücken weg, die
es ſtechen wollten. Wenn aber Morgens das Reh ſich vom Lager erhob,
flogen jedesmal, ehe es ausging, zwei weiße Täubchen vom Dache herab
und legten ihm mit ihren Schnäbeln ſäuberlich die Haare zurecht, die ſich
etwa verſchoben hatten. Das Reh ließ ſich das Alles gern gefallen, als müſſe
es ſo ſein, und dankte den Thieren, die ihm dienten, nur mit recht freund—
lichen Blicken aus ſeinen blanken Augen.
Da begab ſich's einmal, daß an einem Sommermorgen der Himmel
gar ſeltſam ſich mit Wolken umzog, dabei ward die Luft ſchwül und drückend.
Der Einſiedler ſaß ruhig in der Zelle und las in ſeinem Gebetbuche.
Das Reh aber hatte keine Ruhe, aß und trank nichts, ging hin
und her, bis es endlich den Berg hinab in den kühlen Wald lief. Mitten
auf einem großen grünen Platze ließ es ſich nieder in das weiche Gras,
alle Thiere des Waldes, wohl tauſend und noch mehr, kamen herbei und
lagerten ſich in einem weiten Kreiſe um daſſelbe in ehrerbietiger Entfer
nung; und auf allen Bäumen ſaßen die hübſchen bunten Vögel, wie wohl
ſchöne Frauen auf den Balkonen zu ſitzen pflegen, wenn es etwas zu ſehen
giebt. Die Thiere ſahen ſchweigend nach dem Reh hin, als erwarteten ſie
etwas, bis eines nach dem anderen und endlich das Reh ſelbſt in der großen
Hitze einſchlief. Nur die Haſen, die mußten rings umher Schildwache ſtehen
und mit ihren ſpitzen Ohren fortwährend: „Präſentirt's Gewehr“ machen.
Da erſcholl plötzlich durch den ſtillen Wald Hundegebell und Hörnerklang.
Es kam immer näher und näher und auf einmal erſchien zu Roſſe der junge
Königsſohn, umgeben von vielen Jägern zu Fuß und zu Pferde, der hatte
ſich auf der Jagd in den Zauberwald verirrt.