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wollen alles Waſſer, was noch in den Schuhen iſt, im Bache abſpülen,
ſo merkt der Lehrer es gewiß nicht, daß ſie naß geweſen ſind.“ — Als
Kordelchen das hörte, freute es ſich recht über das kluge Brüderchen und
Beide ſpülten einen Schuh nach dem andern von innen und außen recht
tüchtig im Bache ab und immer, wenn einer abgeſpült war, zogen ſie
ihn gleich wieder an, und dachten, ſo wär's gut.
Als aber Michelchen eben den letzten Schuh abwuſch, war er un—
geſchickt und ließ ihn aus der Hand gleiten, ſo daß ihn die Wellen forttrieben.
„Spring' ihm doch nach,‚“ rief Kordelchen, „und hol' ihn zurück!“ —
„Ach, Kordelchen, es geht nicht, da würde ja der andere auch wieder voll
Waſſer!“ „S iſt auch wahr, Michelchen! Nun ſchau aber einmal die
Dummheit von ſo einem Bach! Einem den Schuh von der Hand weg zu
nehmen!“
„Ja wohl,“ rief Michelchen ganz zornig, „der dumme Bach
iſt an allem Schuld!“ Und ſogleich brachen beide Kinder einige Ruthen
vom nächſten Weidenſtrauch, peitſchten damit das Waſſer und riefen fort
während: „Du dummer Bach! Du dummer Bach! Du dummer Bach!“
Das Alles hatten einige andere Schulkinder von Weitem mit angeſehen
und mit angehört, waren, nachdem ſie ſich einen bequemeren Weg geſucht,
früher zur Schule gekommen und hatten es ihren Kameraden erzählt.
Seitdem nannten ſie Michelchen nie anders, als: „König Rerxes“ und
Kordelchen: „Frau Königin erxes.“