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der König Rerxes im Bilde dargeſtellt war. Drauf ſprach er: „Nun gut,
von dieſem Manne will ich euch jetzt erzählen. Xerxes war ein König in
Perſien, der vor mehr als zweitauſend Jahren regierte. Einſtmals führte
er Krieg mit den Griechen und beſchloß mit einem ungeheuren Heere ihr
Land zu erobern. Um dort aber hinzukommen, mußte er über das Meer
hinüberſetzen, und weil alle ſeine Schiffe dazu nicht ausreichten, befahl er,
eine große Brücke über das Meer zu bauen. Kaum war dieſe fertig ge—
worden, ſo erhob ſich ein furchtbarer Sturm und die Wellen zerbrachen
die Brücke. Darüber ergrimmte der König ſo ſehr, daß er in ſeinem auf—
geblaſenen und einfältigen Sinne beſchloß, das Meer zu beſtrafen. Er
ließ deshalb eiſerne Ketten in daſſelbe verſenken, damit die Leute glauben
ſollten, er mache es zu ſeinem Gefangenen, und befahl ſogar, dem Waſſer
dreihundert Peitſchenhiebe zu geben, als ob das Meer ein Menſch wäre
und die Schläge fühlen könnte. Zu ſolchen thörichten Dingen kann Stolz
und Aufgeblaſenheit den Menſchen führen.“
Als die Geſchichte beendet war, fingen alle Schulkinder an heimlich
zu lachen, zeigten mit Fingern nach Kordelchen und Michelchen und flüſterten
ſich leiſe inss Ohr: „Da ſitzt der Herr Xerxes und die Frau Xerxes.“
Das hatte folgende Bewandtniß:
V
Als Kordelchen und Michelchen am Morgen zur Schule gegangen und
an den kleinen Bach hinter dem Schulgarten gekommen waren, ſahen ſie,
daß das Brett, über das ſie ſonſt zu gehen pflegten, fortgenommen ſei.
Der Lehrer aber hatte allen Schulkindern ſtrenge verboten, durch das Waſſer
zu gehen, damit ſie ſich nicht die Schuhe naß machten und davon krank würden.
Statt nun einen andern Uebergang über den Bach zu ſuchen, ſtanden
die Beiden da und ſahen ſich an. Michelchen ſprach: „Kordelchen, was