Aus trüben Waſſern. 17
aber unſer Wilhelm, der ſonſt ſo ungeſchlacht iſt, wie Sie wiſſen,
der bekommt auf einmal ein liebreiches Gemüt, wenn er zu viel
hat, und macht ſich an die Frauenzimmer. So hat er einmal
ſeiner Hauswirtin zu Heidelberg, einer Schuſterswitib mit drei
Buben, einen förmlichen Heiratsantrag gemacht; wir haben nach—
her unſre liebe Not gehabt, bis wir die Frau zufrieden geſtellt.“
Fräulein Dobler blickte noch nicht auf; aber heiß war's ihr nicht
mehr, es überlief ſie eiskalt.
„Nun fürchtet der dumme Geſell,“ fuhr die Doktorin fort,
„er habe geſtern abend auch an Sie allerlei Unſinn hingeredet,
an den er ſich natürlich heut nicht mehr recht erinnert; er ſieht
erbärmlich aus und ſchämt ſich jämmerlich und will ſich gar
nicht ſehen laſſen vor Ihnen. Ich habe ihn getröſtet und ihm
geſagt, daß Sie eine vernünftige Perſon ſeien, der's im Traum
nicht einfalle, ein Geſchwätz von ſo einem unvergorenen Menſchen
für Ernſt zu nehmen; aber er hat recht, daß er ſich ſchämt; er
ſoll heut hinübergehen nach Gabelſtein zu ſeinem Onkel, da kann
er ſeinen wüſten Kopf verlüften; mein Mann kann ſo etwas nicht
leiden, wenn er diesmal auch ein Auge zudrückt, weil's mit dem
Doktorieren gelungen iſt.“
Ja, das war ein kurzer Traum geweſen! vielleicht kindiſch,
aber nicht göttlich ſchön. — Eine Weile hatte ſich Fräulein
Dobler noch mit dem Gedanken getragen, es ſei vielleicht alles
eine Intrigue der Mutter, welche die Heirat nicht gern ſehe;
aber der junge Herr hielt ſich beharrlich von ihr fern. Später
ſah ſie ihn wieder in völlig unbefangener Luſtigkeit, nur ihr
ſelbſt gegenüber ſtumm und verlegen, und ſie mußte dieſe letzte
Illuſion aufgeben. Der Austritt aus dem Hauſe des Doktors
iſt ihr nicht erſchwert worden.
Nun, iſt das nicht eine tragiſche Geſchichte, dieſes Liebes—
leid der Fräulein Chriſtiane Dobler?
Aber, liebſtes Kind, mit Eurem Hofmeiſter kommt mir's
O. Wildermuth, Geſ. Werke. Ill. Ausg. X. Bd. 2
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