Full text: Die Wasserflut am Rheine. Das stumme Kind. Die Kirschen. Die Margaretenblümchen. Der Kuchen

67 
geehrt und erfreut. Sie vollzog den Auftrag, über alle 
Erwartung der Mutter, ganz vortrefflich. 
Der Vater ſchenkte Karoline das Kirſchbäumchen in 
mitten des Blumengärtchens. Sie hatte größere Freude 
daran, als an allen Blumen. Sie beſuchte und bewun 
derte es alle Tage, von der Zeit an, da die Blütenknoſpen 
aufbrachen, bis die Früchte reif waren. Es betrübte ſie 
zwar, als die ſchönen weißen Blättchen der Blüſen ab 
fielen; allein mit Vergnügen bemerkte ſie, wie die Kir 
ſchen, erſt noch grün und kleiner als Erbſen, zum Vor— 
ſchein kamen und nach und nach immer größer wurden, 
bis endlich die ſchönen roten Kirſchen zwiſchen dem grünen 
Laube hervorglänzten. So iſt es nun einmal, ſprach der 
Vater, Jugend und Schönheit vergehen, wie Blüten; die 
Tugend aber iſt die Frucht, die man von dem Baume er 
wartet. Die ganze Erde iſt gleichſam ein großer Garten, 
in dem Gott jedem Menſchen eine Stelle anwies, reich— 
liche Früchte des Guten zu bringen. Wie Gott dem Baume 
Regen und Sonnenſchein giebt, ſo giebt er uns ſeine Gnade 
zum Wachstume in jeder Tugend — wenn wir es nur 
an uns nicht fehlen laſſen. 
ö Karoline verſprach, das ihrige treulich zu thun und 
ihr tägliches Betragen rechtfertigte auch die ſchönen Hoff— 
nungen der Eltern. Die kleine Familie lebte ſehr zu— 
frieden und vergnügt, und trug nicht nur durch Rat und 
That, ſondern vorzüglich durch ihr ſchönes Beiſpiel ſehr 
viel bei, daß auch die wackern Landleute im Dorfe und 
in der Gegend umher in Eintracht und Frieden lebten und 
ſich dabei ſehr glücklich fühlten. 
Allein der Krieg, der gegen das Ende des vorigen 
Jahrhunderts in den herrlichen Rheingegenden ſchon ſo 
viele Verheerungen angerichtet hatte, näherte ſich nunmehr 
auch dieſem friedlichen Thale, in dem bisher Ruhe und
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.