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ſah ſehr blaß und traurig aus. Die Wehmut in ihrem
lieblichen Geſichtchen rührte den Major. Grüß dich Gott,
liebe Kleine, ſagte er, ich bedaure, daß du ſtumm biſt
und mir nicht antworten kannſt; ich würde ſonſt recht gern
mit dir reden. Das Kind ſah ihn mit einem wehmütigen, ö
freundlichen Blick an, legte den Finger auf die Lippen,
deckte den Tiſch, und ging wieder.
Ueber eine Weile brachte Urſula die Suppe. Der ö
Major ſtand auf und ſetzte ſich zu Tiſch. Das Tiſchtuch
war, wider ſeine Erwartung, ſehr fein und blendend weiß,
ebenſo die Serviette. Löffel, Beſteck und Salzgefäß waren
von Silber. Auch die Suppe fand er ſehr gut. Er lobte
die treffliche Bedienung und ſagte: Gottlob! ich bin in
ein recht gutes Quartier gekommen; nun will ich mir,
nach den Strapazen der Reiſe, recht wohl ſein laſſen.
Das Kind ſah ihn mit Augen voll Thränen unbeſchreiblich
traurig an, und ging wieder hinaus.
Sonderbar, dachte der Major, warum das Kind gar
ſo traurig iſt! Aber freilich, hören und nicht reden
können, muß — beſonders einem Frauenzimmer, ſo klein
es auch noch iſt — ſehr ſchwer fallen. Indes muß ihre
Traurigkeit doch noch eine andere Urſache haben. Ich habe
großes Mitleid mit dem Kinde und bedaure ſehr, daß es
mir nicht ſagen kann, was ihm fehlt.
Nach einer guten Weile brachte Urſula Rehbraten und
Salat und ſchob ihm heimlich ein Streifchen Papier hin.
Sie winkte ihm mit den Augen, blickte auf das Blättchen
und dann ſeitwärts nach dem Küchenfenſter — und ent
fernte ſich ſchnell. Er bemerkte, daß die Wirtin am Fenſter,
das in die Küche ging, lauſche, was in der Stube vorgehe.
Der Major hatte den Wink des Mädchens verſtanden, er
ſolle das Zettelchen heimlich leſen. Er rückte es, ohne