Full text: Die Wasserflut am Rheine. Das stumme Kind. Die Kirschen. Die Margaretenblümchen. Der Kuchen

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jetzt, als Daniel weiter gehen wollte, zurück — und ſprang 
auf einmal an dem Manne hoch empor, bellte, ſo laut 
er konnte, und zeigte eine ſolche unbändige Freude, als 
wäre er von Sinnen gekommen. Der Mann rief erſtaunt: 
Ja, Waldi, biſt du's? Finde ich nach ſo vielen Jahren 
dich wieder? Ach, wie kommſt du hierher? 
Daniel ſagte: Der Hund ſcheint Euch recht gut zu 
kennen. Hat er vielleicht einmal Euch zugehört? 
Ja, freilich! ſprach der Mann; ich habe gemeint, der 
gute Waldi, mein treuer Haushund, ſei ſchon vor dreizehn 
Jahren, als der Rhein mein Haus mit ſich fortgeriſſen, 
in dem Waſſer umgekommen. Ich hätte nicht gedacht, 
ihn noch einmal zu ſehen. — Ach, fuhr er fort, und trocknete 
ſich die Augen, ich habe damals noch einen größeren 
Verluſt erlitten, der mir in dieſer Welt nie mehr erſetzt 
wird! 
Daniel fragte, worin dieſer Verluſt beſtanden habe. 
Der Mann erzählte nun ausführlich, wie bei jener großen 
Ueberſchwemmung, die das Rheinthal betroffen, auch ſein 
Wohnort hart mitgenommen worden, wie er in der Nacht 
plötzlich aus dem Schlafe aufgeſchreckt worden, und wie 
er und ſein Weib ſich alle Mühe gegeben, ihre Kinder 
aus dem furchtbar angeſchwollenen Waſſer ins Trockene 
D 
zu bringen. Sein jüngſtes Kind ſei in der Dunkelheit der 
Nacht und bei der großen Verwirrung in der Wiege zurück— 
geblieben und leider zu ſpät vermißt worden; jedenfalls 
ſei das arme Kind, das gar ein holdes Knäblein geweſen, 
unter den Balken des einſtürzenden Hauſes und in den 
tobenden Waſſerfluten des Rheines begraben worden, und 
er nichts mehr davon geſehen und gehört habe. 
Dem guten Daniel kamen aus Rührung über das 
Schickſal des unglücklichen Kindes die Thränen in die 
Augen; er wußte nicht, daß er ſelbſt jenes Kind geweſen ſei,
	        
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