21
jetzt, als Daniel weiter gehen wollte, zurück — und ſprang
auf einmal an dem Manne hoch empor, bellte, ſo laut
er konnte, und zeigte eine ſolche unbändige Freude, als
wäre er von Sinnen gekommen. Der Mann rief erſtaunt:
Ja, Waldi, biſt du's? Finde ich nach ſo vielen Jahren
dich wieder? Ach, wie kommſt du hierher?
Daniel ſagte: Der Hund ſcheint Euch recht gut zu
kennen. Hat er vielleicht einmal Euch zugehört?
Ja, freilich! ſprach der Mann; ich habe gemeint, der
gute Waldi, mein treuer Haushund, ſei ſchon vor dreizehn
Jahren, als der Rhein mein Haus mit ſich fortgeriſſen,
in dem Waſſer umgekommen. Ich hätte nicht gedacht,
ihn noch einmal zu ſehen. — Ach, fuhr er fort, und trocknete
ſich die Augen, ich habe damals noch einen größeren
Verluſt erlitten, der mir in dieſer Welt nie mehr erſetzt
wird!
Daniel fragte, worin dieſer Verluſt beſtanden habe.
Der Mann erzählte nun ausführlich, wie bei jener großen
Ueberſchwemmung, die das Rheinthal betroffen, auch ſein
Wohnort hart mitgenommen worden, wie er in der Nacht
plötzlich aus dem Schlafe aufgeſchreckt worden, und wie
er und ſein Weib ſich alle Mühe gegeben, ihre Kinder
aus dem furchtbar angeſchwollenen Waſſer ins Trockene
D
zu bringen. Sein jüngſtes Kind ſei in der Dunkelheit der
Nacht und bei der großen Verwirrung in der Wiege zurück—
geblieben und leider zu ſpät vermißt worden; jedenfalls
ſei das arme Kind, das gar ein holdes Knäblein geweſen,
unter den Balken des einſtürzenden Hauſes und in den
tobenden Waſſerfluten des Rheines begraben worden, und
er nichts mehr davon geſehen und gehört habe.
Dem guten Daniel kamen aus Rührung über das
Schickſal des unglücklichen Kindes die Thränen in die
Augen; er wußte nicht, daß er ſelbſt jenes Kind geweſen ſei,