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die Morgenröte brach an. Allein unter den guten Leuten,
die ſich um das Feuer geſammelt hatten, entſtand ein
großes Jammergeſchrei; denn von einem großen Teile
ihres freundlichen Dörfleins ſahen ſie nichts mehr. Das
Haus des ehrlichen Martins war nebſt vielen andern von
den Fluten verſchlungen; manches Haus ſtand mit ſchiefem,
auf einer Seite geſenktem Dache da, und drohte den Ein—
ſtuz. Die Leute jammerten um ihre verlorene Habe;
Mutter Ottilie aber nur um ihr Kind. Sei es, rief ſie,
daß alles, was wir hatten, dahin iſt! Ich wollte es für
nichts achten, wenn ich nur mein liebes Kind wieder hätte!
Auch der Vater war mehr darüber bekümmert, daß er ein
Kind verloren hatte, als daß er nunmehr ein armer Mann
war. Indes faßte er ſich, und ſagte mit einem frommen
Blick zum Himmel: Der Herr hat's gegeben, der Herr hat's
genommen, der Name des Herrn ſei gelobt!
Er wandte ſich zu Ottilie und ſprach mit Thränen
in den Augen: Liebe Ottilie, ergieb dich in den Willen
Gottes! Es iſt nun einmal ſo, und ſteht nicht mehr zu
ändern. Sieh' alles, was Gott thut, iſt wohlgethan. Schenke
dein liebes Kind ihm; bei ihm in dem Himmel iſt es am
beſten aufgehoben. Die Mutter hörte auf zu jammern,
weinte ſanftere Thränen und ſagte: Nun denn, der Wille
des Herrn geſchehe! Die Kinder, die viel geweint hatten,
fingen an ihre Thränen zu trocknen, und die kleine Marie
ſagte: Wir wollen nun nicht mehr weinen! Unſer kleines
Brüderlein iſt nun ein ſchönes Engelein im Himmel. Dort
iſt es viel beſſer zu wohnen; denn dort giebt es keine Ueber—
ſchwemmungen mehr!
Der kleine Georg ſagte: Das iſt wohl wahr! Es
iſt aber doch ein großes Unglück, daß unſer kleines Brüder—
lein im Waſſer umgekommen iſt! Auch um unſere zwei
ſchönen Kühe iſt es ſchade! Noch mehr aber um unſern