Full text: Die Wasserflut am Rheine. Das stumme Kind. Die Kirschen. Die Margaretenblümchen. Der Kuchen

ſo viel Waſſer eingedrungen, daß er darin beinahe waten 
mußte; und als er die Hausthüre öf „brach ein Strom 
Waſſer mit ſolcher Gewalt herein, Daß er davon faſt zu 
Boden geriſſen wurde. Er ſprang in die Kammer und 
ſchrie: Ach, Ottilie! Laß uns vor allem unſere Kinder 
retten! Ottilie taumelte, noch halb im Schlafe auf, und 
zog beſtürzt die nötigſten Kleidungsſtücke an. Beide Eltern 
ſuchten ſich mit ihren Kindern auf den Weinberg zu retten; 
allein das hochangeſchwollene Waſſer ſtrömte ihnen ſo mäch⸗ 
tig entgegen, daß es ihnen unmöglich war, dahin zu ge— 
langen. Sie verſuchten nun eine andere Anhöhe jenſeits 
des Dorfes zu erreichen. Allein die Nacht war ſo finſter, 
daß man keinen Schritt weit ſehen konnte. D 
war längſt untergegangen, und ſchwere Wolken verdunkel⸗ 
ten die Sterne. Ueberdies regnete es ſehr ſtark und der 
Sturmwind ſauſte furchtbar. Hohes Waſfer ſtrömte durch 
die Gaſſen des Dorfes, und bedeckte alle Wege und Stege. 
Die guten Eltern fürchteten bei jedem Tritte in der großen 
Waſſerflut umzukommen. Die Kinder, die von den jam— 
mernden Eltern ſo plötzlich aus dem Schlafe geweckt wurden, 
weinten und ſchrieen laut. Aus allen Häuſern erſcholl 
Jammergeſchrei. 
Indes erſchienen oben im Dorfe einige brennende 
Pechfackeln, und der düſterrote Fackelſchein machte den 
großen Jammer, den man bisher regehört hatte, nun 
mehr ſichtbar. Hunderte von Meuſchen ſtrengten alle ihre 
Kräfte an, dem ſchauerlichen Tode im Waſſer zu entgehen. 
Ueberall, wo man nur hinſah, erblickte man Elend und 
Not. Hier am niedrigen Fenſter einer kleinen Hütte ſtand 
eine jammernde Mutter mit ihren laut weinenden Kindern, 
und bot eines nach dem andern dem Vater hinaus, damit 
er ſie rette, obwohl er, bis an die Bruſt in dem reißenden 
Waſſer ſtehend, ſelbſt kaum ſich aufrecht erhalten konnte 
er Mond
	        
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