Full text: Die Wasserflut am Rheine. Das stumme Kind. Die Kirschen. Die Margaretenblümchen. Der Kuchen

Der Jäger hatte auch Wein aus ſeinem Keller bringen 
laſſen, und er und ſein Dorchen tranken mehrmals auf 
Roſaliens Wohlſein, und Roſalie mußte allemal mit an⸗ 
ſtoßen. 
Am folgenden Morgen ſpannte der Jäger ſogleich mit 
Anbruch der Morgenröte an, um ſeine Retterin recht weit 
fahren zu können. Die Jägerin hatte für ein reichliches 
Frühſtück geſorgt, und füllte den faſt leeren Korb der guten 
Frau mit dem Kuchen, nebſt einigen andern Lebensmitteln 
auf die Reiſe, und allerlei kleinen Geſchenken für ihre 
beiden Kinder. 
Roſalie reiſte vergnügt weiter. Als ſie ihrem B 
ohn⸗ 
D 
orte ſich näherte, erblickte ſie ihre zwei Kinder, Wilhelm 
und Thereſe, die ihr eine Strecke Weges entgegen ge— 
gangen waren. Die Kinder ſprangen, ſobald ſie die Mutter 
erblickten, mit lautem Freudengeſchrei auf ſie zu. 
Unter der Hausthüre kam der Mann ihr entgegen. 
Alle gingen mit einander in das Haus. Die Mutter er⸗ 
zählte zuerſt, wie hart ihr die Schwägerin begegnet ſei, 
und ſagte dann, daß ſie leider kein Geld bringe. Ihr 
Mann war darüber recht betrübt, und alles, was ſie von 
derx guten Aufnahme bei dem Jäger erzählte, konnte ihn 
nicht mehr erheitern. Die Mutter öffnete indeſſen ihren 
Korb, und langte den Kuchen hervor. Ueber den ſchönen 
Kuchen vergaßen die Kinder allen Jammer; ſie erhoben 
einen großen Jubel. Der Vater aber konnte die Thränen 
kaum zurück halten. Was hilft uns der Kuchen! ſagte er; 
denn woher nehmen wir nun zwanzig bis dreißig Gulden 
zu einer Kuh? Aber ſieh — als die Mutter den Kuchen 
zerſchneiden und den Kindern davon austeilen wollte, blieb 
das Meſſer darin ſtecken, und ſie konnte ihn nicht durch— 
ſchneiden. 
Das iſt ein ſeltſamer Kuchen, ſagte ſie; es muß aus
	        
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