Full text: Der Sohn des Millionärs

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beugte ſie ſich über ihn, und ſanft ſtreichelnd fuhr ihre 
Hand über ſeine bleiche Wange. ů 
„Muß er ſterben, Herr Doktor?“ wandte ſie ſich 
dann wieder an den Arzt und hob flehend die Hände 
empor, daß er doch nur ja alles thue. 
„Mutterchen,“ ſagte der Doktor, „um ein Haar wär' 
es um ihn geſchehen geweſen. Wenn Ihr nicht den 
Knaben da gehabt hättet, der mich ſo ſchnell herbeirief, 
ſo hätte der alte Mann ſich verblutet. Es iſt eine ſchlimme 
Wunde. Aber noch können wir hoffen.“ 
Erſt jetzt betrachtete die Greiſin den fremden Knaben 
näher und mit freudiger Teilnahme. Plötzlich ergriff ſie 
ſeine Hand und drückte ſie innig zwiſchen ihren alten 
zitternden Händen und hielt ſie immer feſt, und ſtatt der 
Worte ſprachen Thränen des Danks von dem Gefühl, das 
ihr Herz für ihn bewegte. 
Als für ihn nichts mehr zu thun blieb, ergriff Jakob 
ſeinen Stock, um zu ſcheiden und ſein Heil weiter zu 
verſuchen. Aber das litt ſie durchaus nicht. Er müſſe 
erſt den Sohn und die Schwiegertochter kennen lernen, 
ſagte ſie, und das ſei gewiß, es gebe für ihn ein Stüb⸗ 
chen, wo er die Nacht bleiben könne. 
Gegen Abend ging es dem Kranken ſichtlich beſſer. 
Er öffnete zum öftern die Augen, ſprach einzelnes und 
verlangte Waſſer, ſeinen Durſt zu ſtillen. Da war die 
alte Frau überglücklich. Nachdem ſie ihn verſorgt und 
die Kiſſen aufs neue zurechtgerückt hatte, umarmte ſie 
voll Entzücken Jakob, der ſich gern hatte nötigen laſſen, 
da zu bleiben. Sie wußte auch gar nicht, was ſie ihm 
alles Liebes thun ſollte. Zum erſtenmal, ſo lange er 
klar denken konnte, ward ihm das Herz warm im Gefühl
	        
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