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nun immer vor: „Mir iſt auch der Heiland, der Helfer
geboren, mir auch.“ Das freute ihn und kleidete ihm
die Welt in Roſenlicht. Ja, in dieſem Licht erſchien alles
anders als gewöhnlich, er ſich ſelbſt und die Großmutter
und das ganze Leben.
Die Alte mußte ihn öfters anſehen darauf, was für
ein ſrohes Geſicht er heut machte und wie er ihr an den
Augen ablas, was ihr angenehm war und Freude be—
reitete.
„Hat dir einer mehr Biergeld als ſonſt in die Hand
geſteckt?“ fragte ſie endlich.
„Nein, Großmutter. Warum?“
„J, du ſiehſt gerad' ſo aus. Was iſt dir heute?“
„Ach, wir haben doch Weihnachten,“ rief er
fröhlich.
„Was geht's dich an? Was haſt du davon?“
„Großmutter!“ rief er, und ſie verſtand ihn wohl,
denn ſie ſenkte den Kopf, und als ſie ihn wieder aufhob,
verlor ſich ihr Blick in dem Schneeflockenſpiel vor den
Fenſtern.
„Als ich klein war,“ ſagte ſie, „hab' ich mich auch
auf Weihnachten gefreut. Aber man verlernt das. Werd'
du nur erſt älter, dann geht es dir auch ſo.“
„O nein, Großmutter,“ entgegnete er zuverſichtlich.
„Ich weiß noch, wie meine Mutter ſich gefreut hat, und
gerade ſo hat ſich Dr. Barnardo gefreut.“
„Für die Reichen mag es ſein,“ ſagte ſie unge—
duldig.
„Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem
Volke widerfahren wird, ſo ſteht geſchrieben, Großmutter.
Wer es glaubt und darüber glücklich iſt, dem gehört das
Weihnachtskind und die Freude und Seligkeit.“