Full text: Der Sohn des Millionärs

— 16 — 
Mit ſechs Jahren war er geraubt worden. Kurz 
nachher zog er mit einer wandernden Bande, die in ihrem 
Planwagen geſtohlene Sachen zum Verkauf mit ſich führte, 
jahraus jahrein durch das Land. Denſon wollte ihn ab⸗ 
ſichtlich auf Jahre fern von London haben. Später kam 
er zur Abrichtung für das Diebeshandwerk wieder dahin 
zurück. Die Erinnerungen an die Vergangenheit im 
Elternhauſe hatten ſich ziemlich verwiſcht bis auf wenige, 
dem Kindesgemüt ſich beſonders einprägende Dinge. Un⸗ 
vergeßlich aber leuchtete ihm, ein Bild der Schönheit 
und Güte zugleich, das Bild ſeiner Mutter im Grund 
der Seele. Mit ihrem goldenen Lockenſchwall, der ihr 
ſüßes Antlitz umrahmte und ihn unendlich oft überflutet 
hatte, hätte er ſie noch heut unter Tauſenden erkannt. 
Auch die Samenkörner des Guten, die ſie Tag für 
Tag durch Wort und Beiſpiel in ſeine empfängliche, dem 
Guten zugeneigte Seele geſtreut hatte, waren nicht ver⸗ 
wiſcht. Er war ein wahrheitsliebender, ehrlicher Junge, 
dem die ſittlichen Greuel, welche ihn täglich umgaben, 
von Herzen widerwärtig blieben. Dabei hatte er einen 
feſten Willen, der wohl durch Liebe und edle Gründe, 
nicht aber durch Gewalt und Bosheit zu beugen war. 
Sich das Brot zu verdienen und alle Stufen zu 
durchlaufen, die zur äußerſten Verſchlagenheit führen, mußte 
er zuerſt mit dem Bettel beginnen. Aber er bekam die 
Zähne nicht auseinander, zu winſeln und zu betteln wie 
die andern. Deshalb waren die Einnahmen auch dürftig. 
Denn ſelten fiel es einem der vorüberhaſtenden Menſchen 
ein, dem ſtummen zerlumpten Jungen eine Gabe zuzu— 
werfen. 
Ein paarmal verſuchte er, auf gut Glück zu ent⸗ 
laufen; wohin, wußte er ſelbſt nicht. Das bekam ihm
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.