Full text: Der Hexenmüller in der Wisper

Doch ich möchte ſagen, einen viel größeren Schaden 
ſtiften dieſe Leute, weil ſie unſerer glaubensloſen Zeit im 
Aberglauben einen gewiſſen Halt geben. Etwas glauben 
muß der Menſch. Gänzlichen Unglauben gibt es nicht. 
Der Unglaube ſucht ſich ſtets einen Erſatz im Aberglauben. 
Je mehr alſo unſere Zeit wieder in das Heidentum zurück 
kehrt, deſto mehr kommt auch wieder heidniſcher Aber 
glaube. 
Dieſe Hexenmüller aber ſind die heidniſchen Prieſter, 
wie ſie geweſen ſind, oder gar wie ſie in verkümmerter 
Geſtalt aus grauer Vorzeit geblieben ſind, — wer weiß 
es? — und üben im Verborgenen eine Macht, die nur 
der ahnt, der in und mit dem Volke lebt. 
Unſer Hexenmüller, auf den wir jetzt beſonders zu 
ſprechen kommen, war ein großer Meiſter im Betrügen des 
Volkes und weit berühmt, nicht bloß in der nächſten Um 
gegend, ſondern bis in die benachbarten Bade- und Kur 
orte hinein, wo ſelbſt mancher Badegaſt die heilenden 
Quellen verließ, um den Hexenmüller aufzuſuchen. 
Er war eine nicht unbedeutende Erſcheinung, bei der 
ſich Kunſt und Natur vereinigte, um ihm einen gewiſſen 
Eindruck zu ſichern. 
Ein wallender, weißer Bart rahmte ein etwas ge 
bräuntes, volles Geſicht ein, aus dem ein paar liſtige, 
forſchende Auglein hervorblickten. Seinen kahlwerdenden 
Schädel bedeckte eine Art Turban, während er ſeine 
ſtattliche Geſtalt gern in ein Talar ähnliches Gewand 
hüllte. 
„Gewöhnlich ging er etwas gebückt, und ſeine Augen 
ſchienen matt und ſeine Züge ſchlaff, und ſeine Sprache 
war gedehnt und ſchleppend. Sobald er aber in ſeine
	        
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