Full text: Der Hexenmüller in der Wisper

SSIII 
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lockte, während er auf der Gaſſe faullenzte, waren deshalb 
auch heute gewaltiger als ſonſt, und den Abend trank er 
ein Viertelchen Branntwein mehr im Wirtshaus. 
Röschen aber aß hartes Bettelbrot. — 
Sie ging ſchon Jahr und Tag, aber immer konnte 
ſie ſich noch nicht gewöhnen. Nur die ſchrecklichen Miß 
handlungen, die ſie abends erwarteten, wenn ſie nichts 
heimbrachte, trieb ſie in die Häuſer. 
Dort ſtand ſie ohne zu ſprechen, bis das Mitleid ſich 
ihrer erbarmte. 
So ſtand ſie auch an einem kalten Novembertage mit 
nackten, blaugefrorenen Füßen auf den eiskalten Stein 
platten des Kloſterhofes. 
Sie hatte ſchon öfters dort geſtanden, aber die Hof 
frau hatte ſie noch nicht geſehen, obgleich dieſelbe ſonſt 
alles ſah, allein heute mußte ſie eine beſonders milde 
Stunde haben. Sie ſah plötzlich die kleinen, blaugefrorenen 
Füße, das bleiche, verkümmerte Geſicht und den ſchönen, 
angſtvollen Blick aus den tief traurigen, ſchönen, blauen 
Augen. 
„Komm herein, Kind, an den Ofen und wärme dich!“ 
ſagte ſie. Sie ſchenkte ihm eine Taſſe Kaffee ein und gab 
ihm ein tüchtiges Butterbrot. „Iß und trink! Du wirſt 
Hunger haben,“ ſagte ſie. 
Aber das Kind aß nicht und trank nicht, ſondern 
weinte. 
„Warum weinſt du, Kind?“ fragte die Hoffrau. 
Röschen hätte im Augenblick ſelbſt nicht ſagen können, 
warum ſie weinte, denn ſie wußte es nicht. Ihre Tränen 
rannen, wie das Eis tropft, wenn ein paar milde, warme 
Sonnenſtrahlen drauffallen. Sie ſagte deshalb, was ſie 
vorhin draußen in dem kalten Hausgang gedacht hatte: 
4e.—.——.—
	        
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