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lockte, während er auf der Gaſſe faullenzte, waren deshalb
auch heute gewaltiger als ſonſt, und den Abend trank er
ein Viertelchen Branntwein mehr im Wirtshaus.
Röschen aber aß hartes Bettelbrot. —
Sie ging ſchon Jahr und Tag, aber immer konnte
ſie ſich noch nicht gewöhnen. Nur die ſchrecklichen Miß
handlungen, die ſie abends erwarteten, wenn ſie nichts
heimbrachte, trieb ſie in die Häuſer.
Dort ſtand ſie ohne zu ſprechen, bis das Mitleid ſich
ihrer erbarmte.
So ſtand ſie auch an einem kalten Novembertage mit
nackten, blaugefrorenen Füßen auf den eiskalten Stein
platten des Kloſterhofes.
Sie hatte ſchon öfters dort geſtanden, aber die Hof
frau hatte ſie noch nicht geſehen, obgleich dieſelbe ſonſt
alles ſah, allein heute mußte ſie eine beſonders milde
Stunde haben. Sie ſah plötzlich die kleinen, blaugefrorenen
Füße, das bleiche, verkümmerte Geſicht und den ſchönen,
angſtvollen Blick aus den tief traurigen, ſchönen, blauen
Augen.
„Komm herein, Kind, an den Ofen und wärme dich!“
ſagte ſie. Sie ſchenkte ihm eine Taſſe Kaffee ein und gab
ihm ein tüchtiges Butterbrot. „Iß und trink! Du wirſt
Hunger haben,“ ſagte ſie.
Aber das Kind aß nicht und trank nicht, ſondern
weinte.
„Warum weinſt du, Kind?“ fragte die Hoffrau.
Röschen hätte im Augenblick ſelbſt nicht ſagen können,
warum ſie weinte, denn ſie wußte es nicht. Ihre Tränen
rannen, wie das Eis tropft, wenn ein paar milde, warme
Sonnenſtrahlen drauffallen. Sie ſagte deshalb, was ſie
vorhin draußen in dem kalten Hausgang gedacht hatte:
4e.—.——.—