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heutige Geſchichte zuerſt hübſch zurechtgelegt, um das ein—
tretende Unglück prophezeien zu können. Er weiß, daß
der Förſter nach dem „Weißenturm“ gegangen iſt und vor
Nacht nicht zurückkommt. Er weiß außerdem, daß der
„Iange Lenz‘, der dem Förſter den Tod geſchworen hat,
wieder aus dem Zuchthaus entlaſſen iſt und von neuem
ſein Unweſen treibt. Warum ſollte da nicht in dem
Dunkel der Wiſperwaldung eine Untat geſchehen? Ich
habe ſelbſt ſchon meine Befürchtungen gehabt.“
Der Kaufmann räuſperte ſich und ſagte: „Ich meine
doch, als ich in Schottland reiſte, öfters von zweiten
Geſichten.... 2
Doch der Doktor unterbrach ihn und fuhr unbarm
herzig fort: „Ahnlich wie bei dem Apotheker verhält es
ſich mit allen Ahnungen, Träumen und Geſichten und
Vorzeichen. Was der Menſch hofft oder fürchtet, das
ahnt er, das ſieht er, das träumt er. Natürlich ſpielen
dabei Angſt, aufgeregte Nerven, Eigennutz, Unwiſſenheit
und Unglauben eine große Rolle. Ich gebe den Geiſtlichen,
die den Unglauben hauptſächlich betonen, ganz recht. An
etwas Höheres muß der Menſch ſich halten. Glaubt er
nicht an Gott, ſo glaubt er an Geſpenſter. Aus alter,
heidniſcher Vorzeit ſtammt der größte Teil unſeres jetzt
noch gültigen Aberglaubens.“
„Aber hören Sie, Doktor!“ ſagte der Oberförſter.
„Es gibt noch Dinge, die wie Aberglauben ausſehen, ſind
es aber doch nicht. Warum? weil ich es ſelbſt erlebt
habe, daß es wahr iſt. Ich habe es auch nicht geglaubt,
daß ein Jäger nur getroſt wieder heimgehen ſoll, wenn
ihm eine alte Frau begegnet. Da iſt mir aber vor
Jahren einmal bei einer großen herrſchaftlichen Treibjagd
zwei Tage hintereinander ein altes Bettelweib begegnet,