Full text: Abende in Egelund

Eines Tages war es ihr beſonders unglücklich gegangen. Die 
Lehrerin hatte ſie ſtreng zurechtgewieſen wegen ihrer Nachläſſigkeit 
im Zeichnen; Bertha fing an zu weinen, die Thränen fielen auf das 
Papier und verdarben das Ganze. Ihr Muſikſtück kam ihr gar zu 
ſchwer vor, und zuletzt war ſie lange über die Schulzeit mit einem 
Rechenexempel ſitzen geblieben, mit dem ſie gar nicht fertig werden 
konnte. Ihr könnt euch denken, daß es ihr heiß im Kopfe brannte, 
und daß die Zahlen vor ihren verweinten Augen herumtanzten. 
Endlich war ſie mit der Aufgabe fertig geworden, aber ſie wollte 
nicht zu ihren Eltern hineingehen, denn es waren Fremde gekommen, 
und ſo lief ſie hinaus aufs Feld, um ihre geſchwollenen Augen in 
der Luft zu kühlen. Es war im September und ſpät am Nachmittag, 
ſodaß die Sonne längſt untergegangen war. Aber Bertha kehrte 
ſich nicht an die Dämmerung, ſie lief und lief, und es ſchien ihr immer 
noch, als wenn Zahlen vor ihren Augen tanzten. Es klopfte in ihren 
Schläfen wie ein Hammer und ſie wurde zuletzt ſo müde, daß ſie 
ſich auf einen flachen Stein niederwarf und ihren Kopf gegen einen 
Birkenſtamm lehnte. Sie war nahe am Einſchlafen, aber nun kam 
es ihr vor, als wenn ein Licht vor ihren geſchloſſenen Augenlidern 
hin und her führe, und ſie glaubte eine dünne, ſchrille Stimme zu 
hören, die ſang: 
Hop, hop, 
Im Galopp, im Galopp, 
In luſtigem Lauf, 
Bis die Sonne geht auf! 
Sie ſah auf, und zuerſt ſchien es ihr, als wenn nur die Flamme 
eines Lichtes auf dem Felde herumhüpfte, aber wie es ganz nahe 
kam, entdeckte ſie, daß es ein ganz kleines Männchen war mit einer 
glänzenden, ſpitzen Mütze auf dem Kopfe. Es war nicht über eine 
Viertelelle hoch, ſeine Arme und Beine waren ſo dünn wie dicke
	        
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