Full text: Kinderlust

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90. Die Sonnenſtrahlen. 
Die Sonne war aufgegangen und ſtand mit ihrer 
glänzenden Scheibe am Himmel. Da ſchickte ſie ihre 
Strahlen aus, um die Schläfer im ganzen Lande zu wecken. 
Der erſte Strahl kam zu der Lerche; die flog aus ihrem 
Neſte, flog in die Luft und ſang ihr Morgenlied. Der 
zweite Strahl weckte das Häschen. Das rieb ſich die 
Augen nicht lange, ſondern ſprang von ſeinem Lager auf 
und ſuchte zartes Gras und ſaftige Kräuter zu ſeinem 
Frühſtück. Ein dritter Strahl kam an das Hühnerhaus. 
Da fing der Hahn an zu krähen, die Hühner flogen alle 
von ihren Stangen und liefen in den Hof. Ein vierter 
Strahl kam zu dem Bienchen. Es kroch aus ſeinem 
Bienenkorbe hervor und ſummte dann über die Blumen 
und den blühenden Obſtbaum hin und trug Honig nach 
Hauſe. Da kam der letzte Strahl an das Bett des Faul⸗ 
lenzers und wollte ihn wecken. Allein der ſtand nicht 
auf, ſondern legte ſich auf die andere Seite und ſchnarchte, 
während die andern arbeiteten. 
91. Die Kinder und der Mond. 
Die Sonne war untergegangen, und es wollte ſchon 
dunkel werden, aber die Kinder waren noch nicht alle zu 
Hauſe bei ihrer Mutter. 
Zwei Kinder waren auf dem Felde und hatten beim 
Spiele vergeſſen, daß man nach Hauſe kommen muß, ehe 
es dunkel wird. 
Da wurde es den Kindern bange, und ſie weinten, 
denn ſie konnten den Weg nicht finden. Auf einmal 
wurde es hell hinter den Bäumen, und ſie ſahen ein run⸗ 
des Licht heraufſteigen, das war der Mond. Als der die 
Kinder ſah, ſagte er: „Guten Abend, Kinderchen, was 
macht ihr noch ſo ſpät auf dem Felde?“ 
Die Kinder waren anfangs bange, als ſie aber ſahen, 
daß der Mond freundlich lächelte, verging ihnen die Angſt 
und ſie ſprachen: „Ach, wir haben uns verſpätet, und 
nun finden wir den Weg nicht mehr zu unſerer Mutter,
	        
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