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wäre. Da weinte der Arme über die Liebe
eines ſo
guten Kindes vor Freude, und ſprach:
„O Gott im Himmelreich,
*
Dies Kind iſt einem Engel gleich.“
8S6. Das verirrte Kind.
Als es anfing Frühling zu werden, ging ein kleiner
Knabe mit ſeinem Vater auf das Feld hinaus. Der
Vater hatte zu arbeiten und das Knäbchen ſpielte mit
dem Hunde. Der Vater rief dem Söhnchen öfters zu:
„Geh' doch heim, es iſt ja ſo kalt!“ Beim Spielen kam
das Kind immer weiter von ſeinem Vater ab, und als
dieſer es nicht mehr ſah, meinte er: es wird mit dem
Hunde heimgelaufen ſein.
Aber wie erſchrak er, als er zu Mittag heim kam
und Niemand von dem Knaben etwas wußte, auch das
Hündlein nicht. Alle liefen nun hinaus, zu ſuchen, Vater,
Mutter, Bruder, Schweſter und Hündlein und ſuchten
und ſuchten überall und fanden ihn nicht. Und es kam
die Nacht herbei und der Mond ſuchte mit und das halbe
Dorf, und die Sonne kam am andern Morgen und half
mit ſuchen; aber da war kein Knabe zu ſehen und zu
hören. Endlich um Mittag fand man ihn ſchlafend unter
einem Nußſtrauche im Walde liegen. Man weckte ihn,
und das Knäblein ſchlug die Augen auf und ſah ver⸗
wundert umher. Und als man es fragte: „Biſt du denn
nicht verhungert?“ ſagte es: Nein! Und als man es
fragte: „Hat dich denn nicht gefroren?“ ſagte es: Nein!
Und als man es fragte: „Weißt du auch, daß du die
ganze Nacht draußen wareſt?“ ſagte es auch: Nein!
Aber als man es fragte: „War denn Niemand bei Dir
hier im Walde?“ ſagte es: „Ja, ein Englein war bei
mir, und wir haben recht ſchön geſpielt.“
Der Knabe hat wohl geſchlafen und von den Engeln
geträumt, aber die Eltern dankten Gott, daß der
Cachr das Kind ſo treulich behütet hatte vor aller
efahr.