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„Nun gut,“ ſagte die Mutter, „dann faſte nur; ſo
lange du kein Brod mehr magſt, haſt du auch keinen
Hunger, und wenn du todt hungern willſt, ſo magſt du
das nur thun.“
Der Knabe ging in's Feld und ſchlich langſam hin
und her. Mit andern Kindern mochte er nicht ſpielen,
weil er allzu mürriſch war und nicht lachen konnte. Aber
im Felde hatte er auch keine Freude, und doch ſangen
die Vögel ſo ſchön, und die Blumen dufteten ſo ange-⸗
nehm, und die Thierchen waren überall ſo fröhlich, und
die Menſchen ſangen bei ihrer Arbeit auf dem Felde ſo
luſtig. Aber der Knabe konnte nicht munter ſein, und
es ärgerte ihn, wenn die Vöglein ein Körnchen aufpickten
und die Bienen von Blume zu Blume flogen und Nah—
rung ſuchten. Und weil er das nicht ruhig anſehen
konnte, lief er immer weiter und weiter in das Feld
hinaus.
Da kam der Abend. Die Sonne ging unter, und
der Wind wehete ganz kühl. Die Vögel und alle Thiere
gingen ſchlafen, und die Menſchen kehrten nach Hauſe
zurück. Ueberall wurde es ſtill und dunkel auf dem Felde.
Im Walde war es ſchon ganz dunkel, die Eulen flogen
umher und ſchrieen: Uhu! und der Knabe wurde bange.
Er war müde und kalt und hungrig, und da fing er an
zu weinen und lief, ſo ſchnell er konnte, nach Hauſe zurück.
Ach, hätte ich nur jetzt das trockene Brod, ſagte er
unterwegs, ich möchte es gern eſſen. Ich will nie mehr
unzufrieden ſein und die Mutter quälen. Als er nach
Hauſe kam, bekam er das trockene Brod, und für das
Weglaufen noch etwas Anderes dazu, was nicht ſo gut
ſchmeckte. Wißt ihr was?
76. Der kleine Näſcher.
Der Vater ging mit Heinrich, ſeinem Söhnlein, in
den Garten, um zu ſehen, ob die Aepfel bald reif wären.
Im Garten ſtanden viele Obſtbäume. Die Kirſchbäume
hatten ſchon ihre Früchte getragen, die Birnbäume auch,