Full text: Kinderlust

Vögel ſangen ſchon wieder im Gebüſche und bauten ihre 
Neſter. Da wurde das Rothkehlchen traurig. Jetzt hätte 
es auch draußen ſein mögen, um mit den andern zu 
ſingen. „Sollen wir es fliegen laſſen?“ fragte der Vater, 
und die Kinder ſagten: Ja! Da öffnete der Mann das 
Fenſter. Huſch! war das Vöglein hinaus. Es flog in 
den Buſch, bauete ſein Neſtchen und ſang ein fröhliches 
Liedchen. Als es aber wieder Winter wurde und der 
Schnee wieder ſo hoch lag und gar kein Futter zu be— 
kommen war, da flog das Rothkehlchen wieder nach dem 
Bauernhaus. Es ſtand wieder am Fenſter und pickte. 
„Sieh,“ ſagten die Kinder, „da iſt unſer Vöglein wieder!“ 
Sie machten raſch das Fenſter auf, und das Thierchen 
kam herein. Die Kinder freuten ſich ſehr darüber, und 
der Vater ſagte: „Ihr habt das Vöglein im vorigen 
Winter lieb gehabt, darum hat es euch auch lieb und iſt 
gern wieder hei euch. Und es blieb wieder in der Stube 
bei den Kindern, bis es Frühling wurde und die Kinder 
es wieder hinaus ließen zu den andern Vögeln in den 
Buſch. 
42. Das Vogelneſt. 
Hoch oben auf einem Baume ſaß ein Vogelneſt. 
Die alten Vögel flogen oft dahin und hatten dann alle— 
mal was im Schnabel. Wenn dann die Alten kamen, 
riefen die Jungen: „Piep, piep!“ und jedes wollte das 
Würmchen haben, was Väterchen und Mütterchen brachten. 
Da kam eines Tages ein Knabe, der Guſtav hieß, 
an dem Baume vorbei und hörte das Piepen. „Das 
ſind junge Vöglein,“ ſagte er, „und die Alten bringen 
ihnen Futter. Wart', ich will euch auch einmal beſuchen,“ 
rief er, und ketterte den Baum hinan und ſtieg von Aſt 
zu Aſt, und bald iſt er oben bei dem Neſte. Er faßt 
mit ſeiner Hand hinein und nimmt eins von den Vög-— 
lein und will auch noch die andern nehmen. Aber krach! 
krach! da brach der Aſt, worauf er ſtand und Guſtav fiel 
vom Baume herab in einen Graben, worin viel Schlamm
	        
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